Auf der Suche nach Werten in Zeiten des Übergangs

Statements

Auf der Suche nach Werten in Zeiten des Übergangs

New York—2 October 2005

I.

Im Jahr 1945 gab die Gründung der Vereinten Nationen einer kriegsmüden Welt eine Vision über das, was in der Arena der internationalen Zusammenarbeit erreicht werden kann. Die Vereinten Nationen setzten einen neuen Maßstab, der die unterschiedlichen Völker und Nationen zu einer friedlichen Koexistenz führen sollte. Vor dem Hintergrund des verhängnisvollsten Krieges in der Geschichte der Menschheit war die Schaffung einer Weltorganisation für den Schutz der Würde, der Gleichberechtigung und der Sicherheit aller Völker und Nationen eine außerordentliche Meisterleistung der Staatskunst. Sechzig Jahre später stellen sich die Fragen, die die Konferenz von San Francisco beschäftigt haben, erneut: Warum sind die derzeitigen Regierungssysteme daran gescheitert, für die Sicherheit, den Wohlstand und das Wohlergehen der Völker der Welt zu sorgen? Welche Verantwortung tragen Nationen gegenüber ihren Nachbarstaaten und ihren Bürgerinnen und Bürgern? Welche grundlegenden Werte sollten die Beziehungen zwischen und innerhalb der Nationen prägen, um eine friedliche Zukunft sicherzustellen?

Bei dem gemeinsamen Bemühen, Antworten auf diese Fragen zu finden, greift ein neues Paradigma – nämlich jenes, das unsere Herausforderungen und unsere Erfolge im Wesentlichen als miteinander verbunden betrachtet. Ob es sich um Armut, die Proliferation von Waffen, die Rolle der Frau, AIDS, Welthandel, Religion, nachhaltigen Umweltschutz, das Wohlergehen der Kinder, Korruption oder die Rechte von Minderheiten handelt – es liegt auf der Hand, dass keines dieser Probleme, denen die Menschheit sich gegenübergestellt sieht, angemessen angegangen werden kann, wenn es von den anderen isoliert betrachtet wird. Die Bedeutungslosigkeit von nationalen Grenzen angesichts der weltweiten Krisen hat zweifellos gezeigt, dass die Gemeinschaft der Menschheit ein organisches Ganzes ist[i] Die praktischen Folgen dieses hervortretenden Paradigmas auf die Reform der Vereinten Nationen stehen im Mittelpunkt dieses Beitrags der Internationalen Baha'i-Gemeinde aus Anlass des sechzigsten Jahrestages dieser erhabenen Körperschaft[ii]

Die Neugestaltung der Vereinten Nationen muss als Teil einer umfassenderen, evolutionären Entwicklung verstanden werden, die mit frühen Formen internationaler Zusammenarbeit wie dem Völkerbund beginnt und zu einem zunehmenden Grad an Kohärenz bei der Regelung der Menschheitsthemen führt. Gefördert wurde diese Entwicklung durch die Schaffung der Vereinten Nationen, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, das wachsende Völkerrecht, die Bildung und Integration neuer unabhängiger Staaten und die Mechanismen für regionale und weltweite Zusammenarbeit. Allein in den letzten fünfzehn Jahren wurden die Welthandelsorganisation, der Internationale Strafgerichtshof und die Afrikanische Union gegründet. Zudem kam es zu einer bedeutenden Erweiterung der Europäischen Union, einer weltweiten Zusammenarbeit bei Kampagnen der Zivilgesellschaft und der Formulierung der Milleniumsentwicklungsziele — eines nie da gewesenen Rahmenwerks für globale Entwicklung mit dem Ziel, Armut weltweit auszurotten. Im Verlaufe dieser Entwicklungen ist die Definition staatlicher Souveränität — ein Eckstein des modernen Systems internationaler Beziehungen und ein grundlegendes Prinzip der Charta der Vereinten Nationen — als Gegenstand einer lebhaften Debatte ins Blickfeld geraten: Wo sind die Grenzen der traditionellen Vorstellung von Souveränität? Welche Verantwortung tragen Staaten gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern sowie untereinander? Wie soll das Wahrnehmen dieser Verantwortung forciert werden? [iii] Obwohl begleitet von Unwägbarkeiten und Hindernissen, zeugen die neuen Organisationen, Bewegungen und Diskurse von einer zunehmenden Dynamik hin zu einem einheitlichen Denken und Handeln in weltweiten Angelegenheiten. Sie bilden eines der bedeutenden Merkmale sozialer Organisation am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts und in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends.

Wenn man die rasante Zunahme der Mechanismen und Foren der Zusammenarbeit berücksichtigt, warum ist die Welt dann in sich so tief gespalten? Warum dieses allgemeine Elend, das den Beziehungen zwischen den Angehörigen der verschiedenen Kulturen, Bekenntnisse, Religionen, politischen Zusammenschlüsse, Einkommensgruppen und Geschlechter zusetzt? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir nüchtern die rechtlichen Standards, politischen und ökonomischen Theorien, Werte und religiösen Denkweisen untersuchen, die aufgehört haben, das Wohlergehen der Menschen zu fördern. Die Förderung der Männer und Jungen auf Kosten von Frauen und Mädchen hat das kreative und materielle Leistungsvermögen für Entwicklung und Problemlösung von Gemeinschaften stark eingeschränkt. Die Missachtung kultureller und religiöser Minderheiten hat althergebrachte Vorurteile verstärkt, die Völker und Nationen gegeneinander aufbringen; ein ungezügelter Nationalismus hat die Rechte und Chancen von Bürgern anderer Nationen mit Füßen getreten; in schwachen Staaten sind Konflikte, Rechtlosigkeit und massive Flüchtlingsströme ausgebrochen; engstirnige Wirtschaftsprogramme, die materielles Streben verherrlichen, haben häufig die für den gerechten und wohltätigen Gebrauch des Wohlstands nötige moralische und soziale Entwicklung erstickt. Solche Krisen haben die Grenzen eines traditionellen Verständnisses für Regierungshandeln bloßgelegt und die Vereinten Nationen mit der unausweichlichen Frage nach Werten konfrontiert: Welche Werte sind in der Lage, die Nationen und Völker der Welt aus dem Chaos widerstreitender Interessen und Ideologien zu führen – hin zu einer Weltgemeinschaft, die in der Lage ist, die Grundsätze von Gerechtigkeit und Gleichheit auf allen Ebenen der menschlichen Gesellschaft einzuprägen?

Da die Frage nach Werten in internationalen Beziehungen und deren unauflösliche Verbindung mit religiösen Glaubenssystemen auf die Weltbühne getreten ist, können die Vereinten Nationen es sich nicht leisten, diese zu ignorieren. Obgleich die Generalversammlung eine Reihe von Resolutionen verabschiedet hat, die sich mit der Rolle der Religion bei der Förderung des Friedens beschäftigen und zur Beseitigung religiöser Intoleranz aufrufen[iv], ringt sie dennoch damit, einerseits voll zu erfassen, welche konstruktive Rolle Religionen bei der Errichtung einer friedlichen Weltordnung spielen können, andererseits wie vernichtend die Auswirkungen sind, die religiöser Fanatismus auf die Stabilität und den Fortschritt der Welt haben kann. Eine wachsende Anzahl von Führungspersönlichkeiten und beratenden Institutionen räumen deshalb inzwischen ein, dass diese Überlegungen von der Peripherie ins Zentrum der Debatte gerückt werden müssen. Sie erkennen, dass die volle Wirkung religionsbezogener Variablen[v] auf das Regierungshandeln, auf Diplomatie, Menschenrechte, Entwicklungsfragen, Gerechtigkeitsvorstellungen und kollektive Sicherheit besser verstanden werden muss. [vi] Weder haben die politisch Verantwortlichen noch Akademiker eine derart umfassende Wiederkehr der Religion in der Öffentlichkeit vorhergesehen, geschweige denn, dass aus der Praxis der internationalen Beziehungen geeignete Werkzeuge entwickelt worden sind, um sich der Religion sinnvoll zuwenden zu können. [vii] Unsere ererbten Auffassungen von Religion als einer unbedeutenden und eher hinderlichen Stimme in der Öffentlichkeit bieten keine Hilfe bei der Lösung der komplexen Probleme, denen sich die Führer der Nationen der Welt gegenübersehen. Tatsächlich ist die angemessene Rolle der Religion in der Öffentlichkeit eine der drängendsten Angelegenheiten unserer Zeit.

Dass Religionen manipuliert und für das Erreichen engstirniger Ziele benutzt wurden, kann nicht bestritten werden. Eine sorgfältige historische Analyse offenbart jedoch, dass die Perioden größten Fortschritts in der Menschheitskultur diejenigen waren, in denen es Glaube und Vernunft erlaubt war, zusammen zu wirken und aus den gesamten Ressourcen der menschlichen Einsicht und Erfahrung zu schöpfen. So blühten zum Beispiel während der Hochphase der muslimischen Kultur Wissenschaft, Philosophie und Künste auf; eine lebensprühende Lernkultur trieb die menschliche Vorstellung zu neuen Höhen und lieferte unter anderem die mathematische Grundlage für viele der heutigen technologischen Innovationen. Unter den verschiedenartigen Kulturen der Menschheit hat die Religion das Rahmenwerk der Moralkodexe und Rechtsnormen bereitgestellt, das in weiten Regionen brutale und oft anarchische Systeme in kultiviertere Regierungsformen gewandelt hat. Die derzeitige öffentliche Debatte über Religion wurde allerdings von den Stimmen und Taten der Extremisten auf beiden Seiten vorangetrieben — derjenigen, die ihre religiösen Ideologien mit Gewalt aufdrängen und deren sichtbarste Erscheinungsform der Terrorismus ist, und derjenigen, die jeglichen öffentlichen Ausdruck von religiösem Glauben ablehnen. Keines dieser Extreme repräsentiert indessen die Mehrheit der Menschheit und keines fördert einen dauerhaften Frieden.

An diesem Punkt unserer Evolution als globale Gemeinschaft ist die Suche nach gemeinsamen Werten jenseits des Zusammenpralls von Extremen ausschlaggebend für effektives Handeln. Eine Betrachtungsweise unter rein materiellen Gesichtspunkten wird nicht richtig wertschätzen können, in welchem Maße religiöse, ideologische und kulturelle Einflüsse der Diplomatie und Entscheidungsfindung Gestalt geben. Bei dem Versuch, über eine Gemeinschaft von Völkern, die in erster Linie durch Wirtschaftsbeziehungen miteinander verbunden sind, hinaus zu wachsen zu einer Gemeinschaft, die die gegenseitige Verantwortung für Wohlstand und Sicherheit miteinander teilt, muss die Frage der Werte einen zentralen Platz in den Überlegungen einnehmen und klar und deutlich ausgesprochen und offensichtlich gemacht werden. Obwohl die Vereinten Nationen die Notwendigkeit des Multilateralismus wiederholt betont haben, werden solche Bemühungen allein, auch wenn sie ein Schritt in die richtige Richtung sind, keine tragfähige Basis für den Aufbau einer Völkergemeinschaft bilden; bloße Zusammenarbeit verleiht noch keine Legitimation und stellt auch keine guten Ergebnisse für das große Ganze sicher. Um die Versprechen der Charta der Vereinten Nationen, der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und nachgeordneter Verträge und Resolutionen zu erfüllen, können wir nicht länger mit einer passiven Toleranz gegenüber unseren gegenseitigen Weltanschauungen zufrieden sein; es bedarf einer aktiven Suche nach jenen gemeinsamen Werten und ethischen Prinzipien, die die Lebensumstände jeder Frau, jedes Mannes und jedes Kindes verbessern werden, ungeachtet der Rasse, Klasse, Religion oder politischen Auffassung.

Wir stellen fest, dass die sich herausbildende neue Weltordnung und der sie bestimmende Prozess der Globalisierung auf dem Prinzip der Einheit der Menschheit gegründet sein müssen. Wenn dieses Prinzip als gemeinsames Verständnis akzeptiert und bekräftigt wird, liefert es eine praktikable Grundlage für die Organisation der Beziehungen zwischen den Staaten und Völkern. Der zunehmend sichtbar werdende Zusammenhang zwischen Entwicklung, Sicherheit und Menschenrechten auf globaler Ebene bestätigt, dass Frieden und Wohlstand untrennbar miteinander verbunden sind, dass keiner Nation oder Gemeinschaft ein nachhaltiger Vorteil zuteil werden kann, wenn die Wohlfahrt der Nationen insgesamt ignoriert oder vernachlässigt wird. Mit dem Prinzip der Einheit der Menschheit geht nicht das Bestreben einher, die nationale Autonomie zu untergraben oder die kulturelle und intellektuelle Vielfalt der Völker und Nationen der Welt zu unterdrücken. Vielmehr geht es darum, die Basis der bestehenden Grundlagen der Gesellschaft zu verbreitern, indem es zu einer weiter gefassten Loyalität aufruft – ein Bestreben, das größer ist als jedes andere, das das Menschengeschlecht je beseelt hat. Tatsächlich liefert es die moralische Schwungkraft, die benötigt wird, um die Institutionen und Instrumente des Regierungshandels in einer Art und Weise zu gestalten, die den Bedürfnissen einer sich ständig verändernden Welt gerecht werden.

Aus den Lehren der Baha'i-Religion bieten wir die folgende Vision an, für deren Umsetzung sich die Mitglieder der weltweiten Baha'i-Gemeinde in 191 Ländern engagieren:

„Eine Weltgemeinschaft, in der alle wirtschaftlichen Schranken für immer niedergerissen werden, in der die gegenseitige Abhängigkeit von Kapital und Arbeit ausdrücklich anerkannt wird, in der das Geschrei religiösen Eifers und Streites endgültig verstummt ist, in der die Flamme des Rassenhasses ein für allemal gelöscht ist, deren einheitliches System internationalen Rechts als Ergebnis der wohl überlegten Entscheidung der weltweit vereinigten Volksvertreter durch das sofortige, zwingende Eingreifen der vereinten Streitkräfte der Verbündeten sanktioniert wird; und schließlich: eine Weltgemeinschaft, in der der Sturm eines tollkühn-militanten Nationalismus in ein dauerhaftes Bewusstsein des Weltbürgertums verwandelt ist ...“ [viii]

II.

Im Lichte der vorhergehenden Analyse und der Themen, die zurzeit von den Vereinten Nationen erwogen werden, empfehlen wir die folgenden, konkreten Schritte in Richtung eines gerechteren und effektiveren Systems der Vereinten Nationen. Unsere Empfehlungen betreffen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Entwicklungsfragen, Demokratie und kollektive Sicherheit.

Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit

Es kann keine effektive und friedliche internationale Ordnung errichtet und erhalten werden, wenn sie nicht fest auf den Prinzipien von Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit gegründet ist. Das Festhalten an solchen Prinzipien liefert die erforderliche Stabilität und Legitimität, um die Unterstützung der Völker und Nationen zu gewinnen, denen das System dienen soll. Wir möchten Folgendes empfehlen:

Die schwerwiegenden Bedrohungen durch religiösen Extremismus, Intoleranz und Diskriminierung machen es erforderlich, dass die Vereinten Nationen diese Fragen offen und ernsthaft angehen. Wir rufen die Vereinten Nationen dazu auf, das Recht des Einzelnen, seine Religion gemäß internationalem Recht wechseln zu können, eindeutig zu bestätigen. Die Generalversammlung soll den Internationalen Gerichtshof dazu auffordern, gemäß Artikel 96 der Charta der Vereinten Nationen ein Rechtsgutachten zur Frage der Freiheit von Religion und Glaube herauszugeben. Insbesondere könnte man den Gerichtshof danach fragen, ob das Prinzip der Religions- und Glaubensfreiheit den Status des internationalen Gewohnheitsrechts jus cogens erreicht hat, oder ob es lediglich der Interpretation jedes einzelnen Staates überlassen ist. Eine solche Klarstellung würde dabei helfen, falsche Interpretationen dieses Rechts zu beseitigen und der Verurteilung von Vorgehensweisen und Praktiken moralisch Nachdruck verleihen, die das Prinzip der Nicht-Diskriminierung in Religions- und Glaubensangelegenheiten verletzen. [ix]

Über die derzeitigen Reformen der Struktur und Arbeitsweise des Menschenrechtsschutzsystems der Vereinten Nationen hinaus muss die Legitimität dieses Systems durch konsequentes Festhalten an den höchsten Prinzipien von Gerechtigkeit – einschließlich derjenigen, die in der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte ausgeführt sind – wiederhergestellt werden. Nur so wird das Vertrauen seiner Mitgliedstaaten und deren Bürger sichergestellt werden, die es zur Ausübung seines Mandats benötigt.

Die Generalversammlung sollte darüber nachdenken, einen Zeitplan für die allgemeine Ratifizierung der internationalen Menschenrechts-verträge aufzustellen.

Das Büro der Hochkommissarin für Menschenrechte muss zum Vorkämpfer auf dem Feld der Menschenrechte werden – ausgerüstet mit der erforderlichen Integrität und den intellektuellen und materiellen Ressourcen – und zum effektiven Werkzeug zur Linderung der Leiden Einzelner und Gruppen, deren Rechte verweigert werden.

Als eines der effektivsten Instrumente für den Schutz der Menschenrechte sollten die Special Procedures ein angemessenes Budget und die Unterstützung der Administration bekommen. Die Zusammenarbeit der Regierungen mit den Special Procedures sollte sich nicht auf den Zugang zum jeweiligen Land beschränken. Genauso wichtig ist die vollständige Prüfung der daraus folgenden Empfehlungen. Dies sollte im interaktiven Dialog zwischen den Sonderberichterstattern und den Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zum Ausdruck kommen.

Die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Büro der Hochkommissarin sollte ausgebaut werden, damit Resolutionen der Menschenrechtskommission bzw. des Menschenrechtsrates, Empfehlungen der Special Procedures und die abschließenden Bemerkungen der Ausschüsse, die die Einhaltung der Übereinkommen, Pakte und Konventionen überwachen, mehr Beachtung in den Medien geschenkt wird. Dies könnte zum Beispiel die Übersetzung von Dokumenten in die wichtigsten Landessprachen einschließen, um mehr Öffentlichkeit zu erzeugen.

Das Büro der Hochkommissarin sollte zusammen mit dem Menschenrechtsrat seine produktive Zusammenarbeit mit Nicht-Regierungsorganisationen fortsetzen. Diese hat von Anfang an einen positiven Beitrag geleistet — sowohl für die Arbeit des Büros als auch für die Entwicklung der Fähigkeiten von Nicht-Regierungsorganisationen zur sinnvollen Zusammenarbeit in diesem Kontext.

Entwicklungsfragen

Im Zentrum menschlicher Entwicklung muss das Verständnis stehen, dass Menschen einzigartige Ressourcen sind in einem sich selbst tragenden Prozess der Veränderung. Die Herausforderung besteht darin, Methoden zu finden, die ihnen erlauben, dieses Potenzial in vollem Umfang zum Ausdruck zu bringen. Entwicklung, die sich entlang gewisser Vorstellungen der „Modernisierung“ definiert, scheint sich jedoch auf genau solche Prozesse zu beziehen, die der Vorherrschaft materieller Interessen über geistige Ziele Vorschub leistet. Während die Suche nach einer wissenschaftlich und technologisch modernen Gesellschaft ein zentrales Ziel menschlicher Entwicklung ist, muss sie ihre ökonomischen, politischen, kulturellen und Bildungsstrukturen auf der Idee der geistigen Natur des menschlichen Wesens gründen und nicht allein auf ihre materiellen Bedürfnisse. Wir möchten Folgendes empfehlen:

Die Fähigkeit von Menschen, an der Schaffung und Anwendung von Wissen teilzuhaben, ist ein wesentlicher Bestandteil menschlicher Entwicklung. Daher muss der Bildung von Mädchen und Jungen, Frauen und Männern Vorrang eingeräumt werden, um sie in die Lage zu versetzen, ihren eigenen Entwicklungsweg festzulegen und ihr Wissen im Dienst an der Gesellschaft anzuwenden. Die Vereinten Nationen sollten im Sinne eines ökonomischen Investments bedenken, dass die Bildung der Mädchen durchaus den größten Ertrag aller in Entwicklungsländern getätigten Investitionen bringen könnte, wenn man sowohl die persönlichen Vorteile als auch den Nutzen für die Familienmitglieder und die Gesellschaft berücksichtigt. [x]

Wir legen den Vereinten Nationen fünf geistige Prinzipien zur Erwägung vor, die als Grundlage für die Formulierung von Indikatoren für menschliche Entwicklung dienen und neben den bestehenden Maßnahmen der Entwicklungspolitik genutzt werden könnten. Diese Prinzipien umfassen: Einheit in Vielfalt, Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit der Geschlechter, Vertrauenswürdigkeit und eine an Werte orientierte Führung, sowie die Freiheit des Gewissens, der Gedanken und der Religion. [xi]

Die reichen Länder der Welt haben die moralische Pflicht, Maßnahmen abzubauen, die die Export- und Handelsbedingungen verzerren und Länder aussperren, die um die Teilnahme am globalen Markt kämpfen. Der Konsens von Monterrey, der die Bedeutung eines „offeneren, auf Regeln basierenden, nicht-diskriminierenden und gerechten“ Handelssystems anerkennt, ist ein Schritt in die richtige Richtung. [xii]

Neben der Reform des Handelssystems müssen die Länder den grenzüberschreitenden Austausch von Arbeitskräften erleichtern und die entmenschlichenden Auswirkungen des Menschenhandels angehen, die zu weit verbreiteter wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung von Menschen führt, die nach einem besseren Leben streben.

Demokratie

Wir loben die internationale Staatengemeinschaft für ihre Verpflichtung auf Demokratie und einer frei gewählten Regierung als universalen Wert. Allerdings muss der Standard für die Überlegungen und die Suche nach Wahrheit, der bei der Realisierung der von den Vereinten Nationen gesetzten Ziele benötigt wird, weit über die üblichen Muster von Parteilichkeit, Protest und Kompromissen hinausgehen, die die heutigen Diskussionen der menschlichen Angelegenheiten üblicherweise kennzeichnen. Es wird ein Beratungsprozess auf allen Regierungsebenen benötigt, bei dem die einzelnen Teilnehmer danach streben, sich über ihre jeweiligen Standpunkte hinaus zu erheben, um als Mitglieder einer Körperschaft zu arbeiten, die ihre eigenen Interessen und Ziele hat. Durch Partizipation und Einheit in den Absichten wird Beratung zum tätigen Ausdruck der Gerechtigkeit in menschlichen Angelegenheiten. Ohne diesen Anker als Grundlage fällt die Demokratie den Exzessen des Individualismus und Nationalismus, die sowohl national als auch global am Gefüge der Gesellschaft zerren, zum Opfer.

Über die Regelung materieller Angelegenheiten hinaus ist Staatsführung in erster Linie eine Übung der Moral. Es ist der Ausdruck einer Treuhänderschaft — einer Verantwortung, die Mitglieder einer verfassten Gesellschaft zu schützen und ihnen zu dienen. Tatsächlich wird die Verwirklichung der Demokratie in dem Maße erfolgreich sein, wie sie von moralischen Prinzipien geleitet wird, die im Einklang mit den sich herausbildenden Interessen einer schnell reifenden Menschheit stehen. Diese umfassen die Vertrauenswürdigkeit und Integrität, die benötigt wird, um den Respekt und die Unterstützung der Regierten zu gewinnen; Transparenz; Beratung mit den von Entscheidungen Betroffenen; objektive Feststellung der Bedürfnisse und Bestrebungen der betroffenen Gemeinden; und der angemessene Gebrauch wissenschaftlicher und moralischer Ressourcen. [xiii] Wir möchten Folgendes empfehlen:

Um die Legitimität, Zuversicht und Unterstützung sicherzustellen, die die Organisation der Vereinten Nationen für die Realisierung ihrer Ziele benötigt, muss sie sich den demokratischen Defiziten in ihren eigenen Organen und Beratungen zuwenden.

Eine eingehende Beratung der drängenden Probleme unserer Zeit erfordert es, dass die Organisation der Vereinten Nationen Verfahrensweisen entwickelt, um Organisationen der Zivilgesellschaft, einschließlich wirtschaftliche und religiöse Organisationen, ebenso konstruktiv und systematisch einzubinden, wie die Mitglieder nationaler Parlamente. Das Verhältnis zwischen Organisationen der Zivilgesellschaft, Parlamentariern und traditionellen diplomatischen Prozessen der Vereinten Nationen sollte kein Wettbewerb sein, sondern sie sollen sich vielmehr gegenseitig ergänzen. Dieses Verhältnis soll auf der Erkenntnis gründen, dass die relativen Stärken aller drei Komponenten für eine effektive Entscheidungsfindung und die spätere Umsetzung dieser Entscheidungen benötigt wird. [xiv] Wir drängen die Vereinten Nationen dazu, den im Bericht des Panel of Eminent Persons gemachten Vorschlägen hinsichtlich der Beziehungen der UNO zur Zivilgesellschaft[xv] ernsthaft Beachtung zu schenken.

Eine gesunde Demokratie muss sich auf dem Prinzip der Gleichheit von Mann und Frau und der gleich großen Anerkennung ihres jeweiligen Beitrags zur Errichtung einer gerechten Gesellschaft gründen. Bei ihren Bemühungen zur Förderung der Demokratie müssen die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in ihren jeweiligen Ländern wachsam auf die Einbeziehung von Frauen in allen Facetten der Regierungsarbeit hinwirken. Dies ist kein Privileg, sondern eine praktische Notwendigkeit zur Erreichung der hochgesteckten und komplexen Ziele, die noch von den Vereinten Nationen zu erreichen sind.

Die besondere Berücksichtigung von Minderheiten in demokratischen Prozessen ist von entscheidender Bedeutung — sowohl um Minderheiten vor den Misshandlungen der Vergangenheit zu schützen, als auch, um sie zur Teilhabe und zur Übernahme von Verantwortung für das Wohlergehen der Gesellschaft zu ermutigen. Wir drängen die Mitgliedsstaaten, bei ihrer Arbeit für die Förderung der Demokratie danach zu streben, die Minderheiten — Angehörige aller Glaubensrichtungen, Rassen oder Klassen — in den Prozess der Zielsetzung und der Beratung vollständig einzubeziehen. Da die kulturelle Zusammensetzung von Staaten immer veränderlicher und vielfältiger wird, kann keine kulturelle oder religiöse Gruppe für sich beanspruchen, nationale Interessen angemessen zu definieren.

Kollektive Sicherheit

Wir begrüßen die Bemühungen der Vereinten Nationen, eine umfassendere Vision kollektiver Sicherheit zu formulieren. Sie beruht auf dem Verständnis, dass in unserer miteinander verflochtenen Welt die Bedrohung eines Mitglieds eine Bedrohung für alle darstellt. Die Baha'i-Religion stellt sich ein System kollektiver Sicherheit im Rahmen einer globalen bundesstaatlichen Staatsordnung vor, eines Staatenbundes, in dem nationale Grenzen abschließend festgelegt wurden und zu dessen Gunsten alle Nationen der Welt freiwillig ihr Recht auf Bewaffnung – außer zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung – abgetreten haben. [xvi] Während wir uns der schwerwiegenden Mängel des gegenwärtigen Systems kollektiver Sicherheit bewusst sind, beglückwünschen wir den Sicherheitsrat für seine Resolution über „Frauen, Frieden und Sicherheit“ [xvii], die einen Meilenstein darstellt, weil sie zum ersten Mal in der Geschichte die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen in Kriegs- und Nachkriegssituationen[xviii] und ihre Rolle bei der Förderung des Friedens anerkennt. Wir möchten Folgendes empfehlen:

Um die demokratischen Defizite und die unerbittliche Politisierung des Sicherheitsrats anzugehen, müssen die Vereinten Nationen rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, um letztendlich die Einrichtungen der ständigen Sitze und des Vetorechts zu beseitigen. [xix] Neben den Verfahrensreformen bedarf es eines entscheidenden Wandels in der Einstellung und im Verhalten. Die Mitgliedstaaten müssen anerkennen, dass sie, wenn sie einen Sitz im Sicherheitsrat einnehmen, als Unterzeichner der Charta der Vereinten Nationen gewichtige moralische und rechtliche Verpflichtungen haben, als Treuhänder für die gesamte Völkergemeinschaft handeln und nicht als Anwälte nationaler Interessen. [xx]

Es muss eine Definition über Terrorismus angenommen werden. Wir stimmen dem Generalsekretär zu, wenn er Terrorismus als jede Handlung bezeichnet, „die beabsichtigt, Tod oder schwere Körperverletzung an Zivilisten und Nichtkombatanten zu verursachen, in der Absicht, eine Bevölkerung einzuschüchtern oder eine Regierung oder eine internationale Organisation zu nötigen, eine Handlung auszuführen oder zu unterlassen.“ Darüber hinaus ist es unbedingt erforderlich, dass Probleme wie Terrorismus beständig im Kontext anderer Fragen angegangen werden, die die Gesellschaft spalten oder destabilisieren. [xxi]

Wir drängen die Vereinten Nationen dazu, die nötigen Schritte zu unternehmen, um Frauen auf allen Ebenen – lokal, national, international – und auch im Department of Peacekeeping Operations an der Entscheidungsfindung bei Konfliktlösungen und Friedens-prozessen teilhaben zu lassen. [xxii]

Wir glauben, dass die Aufgabe, eine friedliche Welt zu schaffen, jetzt in den Händen der Führer der Nationen liegt, aufgrund der enormen Verantwortung, die ihnen anvertraut worden ist. Jetzt liegt vor ihnen die Herausforderung, das Vertrauen und die Zuversicht ihrer Bürger in sich selbst, ihre Regierungen und die Institutionen der internationalen Ordnung wiederherzustellen – durch persönliche Integrität, aufrichtige Absichten, der konsequenten Verpflichtung auf die höchsten Maßstäbe der Gerechtigkeit und durch das zwingende Gebot einer Welt, die nach Einheit hungert. Der große Friede, den die Völker und Nationen der Welt seit langer Zeit erwartet haben, liegt deutlich in Reichweite.

 

[i] Während die Vereinten Nationen begonnen haben, die Wechselwirkung von Menschenrechten, Entwicklungsfragen und kollektiver Sicherheit formal anzuerkennen, zog sich diese holistische Perspektive durch alle Beiträge der Nichtregierungsorganisationen für die Organisation der Vereinten Nationen, so zum Beispiel bei den weltweiten Konferenzen der Vereinten Nationen wie der Konferenz für Umwelt und Entwicklung (1992), der Weltkonferenz für Menschenrechte (1993), der Weltkonferenz für Bevölkerungsentwicklung (1994), der vierten Weltfrauenkonferenz (1995), dem Weltgipfel für soziale Entwicklung (1995) und der Konferenz der Vereinten Nationen für Wohn- und Siedlungswesen (1996)

[ii] Die Internationale Baha'i-Gemeinde ist als Nichtregierungsorganisation seit der Gründungskonferenz im Jahr 1945 aktiv mit den Vereinten Nationen verbunden. Bereits aus Anlass des zehnten Jahrestages der Vereinten Nationen hatte die Internationale Baha'i-Gemeinde Vorschläge für eine Überarbeitung der UN-Charta an den Generalsekretär übermittelt. Die Vorschläge zur Reform fußten auf der Erkenntnis, dass „wahre Souveränität nicht länger den nationalstaatlichen Institutionen übertragen ist, denn die Nationen befinden sich nun in gegenseitiger Abhängigkeit; dass die gegenwärtige Krise sowohl moralisch und geistig als auch politisch ist; dass die gegenwärtige Krise nur durch die Schaffung einer Weltordnung überwunden werden kann, die sowohl alle Völker wie auch alle Nationen der Menschheit repräsentiert.“ (Internationale Baha'i-Gemeinde, „Proposals for Charter Revision Submitted to the United Nations by the Baha'i International Community [1955]“, The Baha'i-World 1954 – 1963, Vail–Ballou Press, Inc., Binghampton, New York, 1970). Im Jahr 1995 gab die Internationale Baha'i-Gemeinde zum fünfzigsten Jahrestag der Vereinten Nationen eine Stellungnahme heraus, die die Entwicklung einer ständig zunehmenden gegenseitigen Abhängigkeit der Menschheit hervorhob und Vorschläge zur Neubelebung der Generalversammlung, zum Ausbau der Exekutive, zur Stärkung des Internationalen Strafgerichtshofes, und zur Förderung der wirtschaftlichen und moralischen Entwicklung, der Menschenrechte und den Fortschritt der Frauen präsentierte (Internationale Baha'i-Gemeinde, Wendezeit für die Nationen, Büro für Öffentlichkeitsarbeit der Internationalen Baha'i-Gemeinde, Baha'i-Verlag, Hofheim 1996). Während der gesamten Geschichte ihrer Beziehung zu den Vereinten Nationen hat die Internationale Baha'i-Gemeinde ihre Visionen und Erfahrungen in Form von Stellungnahmen mitgeteilt, in denen es unter anderem um die Förderung der Frauen sowie um Menschenrechte, nachhaltigen Umweltschutz, globalen Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung ging.

[iii] Im Jahre 2000 hat die kanadische Regierung als Antwort auf das erschreckende Versagen der internationalen Staatengemeinschaft, in schwerwiegenden Krisen wie in Somalia, Bosnien, Ruanda und im Kosovo zu intervenieren oder besser: wirksam zu intervenieren, eine Kommission einberufen, die sich Fragen der rechtlichen, ethischen, technischen und politischen Dimensionen humanitärer Interventionen widmet. Die daraus entstandene International Commission on Intervention and State Sovereignty hat ihre Ergebnisse im Jahr 2001 in einem Bericht mit dem Titel Responsibility to Protect veröffentlicht. Das wiederholte Scheitern einer wirksamen Intervention der internationalen Staatengemeinschaft in Darfur (Sudan) hat einer Definition rechtlicher Standards und technischer Normen für humanitäre Interventionen sogar noch mehr Dringlichkeit verliehen.

[iv] Zum Beispiel "Promotion of interreligious dialogue" (A/RES/59/23), "Promotion of religious and cultural understanding, harmony and cooperation" (A/RES/59/142), "Global Agenda for Dialogue Among Civilizations" (A/RES/56/6), "Elimination of all forms of religious intolerance" (A/RES/59/199) sowie der Bericht des UNESCO-Generaldirektors an die 59. Sitzung der UN-Generalversammlung (A/59/201) "Promotion of religious and cultural understanding, harmony and cooperation" (A/RES/58/128).

[v] Dies sind unter anderem religiöse Lehren und ihre Interpretationen, die Anhänger von Religionen, ihre religiösen Führer und Institutionen.

[vi] Eine detaillierte Beschreibung würde über den Rahmen dieser Darstellung hinausreichen, jedoch können als Beispiele für das Wiederaufleben der Religion als Angelegenheit höchster politischer Dringlichkeit angefügt werden: die weite Verbreitung von Gewalt im Namen der Religion; die Ausbreitung von religiösem Fundamentalismus und seine Auswirkungen auf die politischen Systeme; die zunehmenden Spannungen zwischen Religionen und den Politikinhalten eines Staates; die Herausforderungen beim Gestalten nationaler und regionaler Regierungsstrukturen, die in der Lage sind, den Forderungen nach fairer Repräsentation der verschiedenen Religionsgemeinschaften entgegen zu kommen; die soziale, politische und wirtschaftliche Integration von religiösen Minderheiten; Unvereinbarkeiten zwischen religiösem Recht und Zivilrecht; der Einfluss der Religion auf internationale Politikforen – zum Beispiel auf die Internationale Konferenz für Bevölkerung und Entwicklung in Kairo, 1994, oder die Vierte Weltfrauenkonferenz in Peking, 1995 –; und schließlich die Verletzung von Menschenrechten im Namen der Religion, einschließlich des Rechts, die Religion zu wechseln. Solchen Entwicklungen stehen die zunehmenden Bemühungen um einen interreligiösen Dialog und die Zusammenarbeit zwischen den religiösen Führern und ihren Gemeinden gegenüber, die beeindruckenden globalen Netzwerke religiös inspirierter humanitärer und wohltätiger Organisationen und Bewegungen, die die Aufmerksamkeit auf die ethischen Dimensionen globaler wirtschaftlicher Integration lenken, das intellektuelle und moralische Vermächtnis in der Artikulation moralischer Prinzipien (wie zum Beispiel die Ethik des „gerechten Krieges“) sowie die Fähigkeit von Religionen, Einzelne und Gruppen zu Selbstlosigkeit, Gewaltlosigkeit und Versöhnung zu motivieren.

[vii] Mehrere Faktoren haben zur fast völligen Ausklammerung der Religion in den Theorien internationaler Beziehungen geführt. Erstens basierten die Sozialwissenschaften auf Werken, deren Autoren glaubten, dass Religion vernunftmäßigen und wissenschaftlichen Denkweisen Platz machen würde, um so die ihrer Ansicht nach durch sie verursachte Unwissenheit und Aberglauben auszumerzen und so in eine Periode der Modernität überzuleiten. Zweitens „war nicht nur die Theorie internationaler Beziehungen (so wie andere Sozialwissenschaften) auf dem Glauben gegründet, dass Religion als wichtiger Faktor aus der Welt verschwindet. Man kann sagen, dass der moderne Kontext für die Beziehungen zwischen Staaten auf bewusst säkularen Prinzipien beruhte. Die moderne Idee vom Territorialstaat – die Grundlage moderner internationaler Beziehungen – wurde 1648 im Westfälischen Frieden zum Ausdruck gebracht“, der „dazu bestimmt war, den Dreißigjährigen Krieg zwischen protestantischen und katholischen Staaten zu beenden. Dabei entwickelte er eine Ausrichtung für zwischenstaatliche Beziehungen, bei der Religion keine Rolle spielte.“ (Jonathan Fox und Shmuel Sandler (2005), „The Question of Religion and Politics“, Terrorism and Political Violence, 17:296-298).

[viii] Shoghi Effendi, „Das Ziel: die neue Weltordnung“ (1931), Die Weltordnung Bahá’u’lláhs, 3:7

[ix] Internationale Baha'i-Gemeinde, Freedom to Believe (Vertretung der Internationalen Baha'i-Gemeinde bei den Vereinten Nationen, New York 2005)

[x] Abgesehen davon, dass sie auf dem Arbeitsmarkt produktiver sind, haben gebildete Frauen nach Aussagen der Weltbank kleinere Familien, ihre Kinder sterben weniger häufig im frühen Kindesalter und die überlebenden Kinder sind gesünder und besser ausgebildet. Gebildete Frauen sind darüber hinaus besser gerüstet, eine bezahlte Arbeit aufzunehmen, was für das Überleben vieler Haushalte mit weiblichem Familienvorstand in Entwicklungsländern wesentlich ist. In Ländern mit höherem Mädchenanteil unter Schülern zeigt sich eine höhere wirtschaftliche Produktivität, eine niedrigere Fruchtbarkeit, eine niedrigere Kinder- und Müttersterblichkeit und eine höhere Lebenserwartung als in Ländern, die keinen hohen Mädchenanteil an Schulen haben. (Weltbank, The Benefits of Education for Women (1993), URL: http://www.worldbank.org/html/extdr/hnp/hddflash/hcnote/hrn002.html)

[xi] Ausführlich wird dieser Gesichtspunkt erörtert in: Internationale Baha'i-Gemeinde, Valuing Spirituality in Development: Initial Considerations Regarding the Creation of Spirituality Based Indicators for Development, ein Konzeptpapier, das erstellt wurde für: World Faiths Development Dialogue, Lambeth Palace, London (The Baha'i Publishing Trust: London 1998)

[xii] The Monterrey Consensus, (A/CONF.198/11)

[xiii] In den 80er und 90er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts gab es in der Welt dramatische Fortschritte bei der Öffnung politischer Systeme und der sich ausbreitenden politischen Freiheit. Mehr als achtzig Staaten unternahmen bedeutsame Schritte in Richtung Demokratie. Heute gibt es in 140 der fast 200 Staaten der Welt Wahlen und Mehrparteiensysteme, mehr als je zuvor. Ungeachtet dieser positiven Entwicklungen hat das Gallup International’s Millenium Survey 1999 herausgefunden, dass von 50.000 befragten Menschen in 60 Staaten weniger als ein Drittel das Gefühl hatten, ihr Land werde vom Willen des Volkes regiert. Nur einer von zehn Befragten sagte, dass die Regierung auf den Willen des Volkes eingehe.

[xiv] Während der vergangenen fünf Jahre hat die Organisation der Vereinten Nationen zahlreiche Beispiele für innovatives Regieren hervorgebracht: Im Jahr 2000 richtete der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) ein ständiges Forum über indigene Angelegenheiten ein, um als beratende Körperschaft für den Rat für indigene Angelegenheiten zu dienen, der mit wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung, Kultur, Umweltschutz, Gesundheit und Menschenrechten zu tun hat, wodurch der jahrzehntelange Kampf indigener Völker, eine gewisse Stellung innerhalb der Weltgemeinschaft zu erreichen, seinen Höhepunkt erreichte; im Juni 2005 veranstaltete die Generalversammlung erstmalig interaktive Anhörungen mit der Zivilgesellschaft und dem privaten Sektor, bei denen etwa 200 Nicht-Regierungsorganisationen ihre Ansichten über die Reform der Vereinten Nationen als Denkanstoß für die Mitgliedstaaten in Vorbereitung des Weltgipfels der Vereinten Nationen 2005 präsentierten; ebenfalls im Juni 2005 organisierte eine Vorbereitungsgruppe, zusammengesetzt aus einer Kerngruppe von Mitgliedstaaten (Argentinien, Bangladesh, Ecuador, Gambia, Deutschland, Indonesien, Iran, Kasachstan, Malaysia, Marokko, Pakistan, Philippinen, Senegal, Spanien, Thailand und Tunesien), der Zivilgesellschaft, den Kultur-, Sozial- und Bildungsorganisation der Vereinten Nationen und der Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten, eine Konferenz mit dem Namen Interfaith Cooperation for Peace, mit dem Ziel, Eingaben für den Weltgipfel 2005 zu erarbeiten hinsichtlich der Strategien zur Förderung interreligiöser Zusammenarbeit für den Frieden. Es war das erste Mal, dass eine von einem Mitgliedsstaat initiierte Konferenz von Mitgliedstaaten, der Zivilgesellschaft und Organen der Vereinten Nationen zusammen organisiert und geleitet wurde. Wenn man berücksichtigt, wie schwierig das Thema ist, dann liefert diese Art der Organisation ein brauchbares Muster für gleichartige Anstrengungen in der Zukunft. Ebenfalls beachtenswert ist, dass im Jahre 2002 der Internationalen Parlamentarischen Union der Status einer ständigen Beobachterin der Generalversammlung der Vereinten Nationen zuerkannt wurde, was eine neue Form der Zusammenarbeit in Gang setzte.

[xv] Panel of Eminent Persons on UN−Civil Society Relationships, We the Peoples: Civil Society, the UN and Global Governance (United Nations: New York, 2004).

[xvi] Damit dieses föderale System erfolgreich sein kann, sind Einheit, Festigkeit, Flexibilität und eine öffentliche Meinung unabdingbar: Einheit des Denkens und der Absicht unter den ständigen Mitgliedern, Festigkeit, die den Gebrauch von angemessener Gewalt zur Sicherung der Wirksamkeit der Ordnung einschließt, Flexibilität zur Befriedigung der rechtmäßigen Bedürfnisse seiner bedrängten Unterstützer und eine öffentliche Meinung — von Frauen und Männern — um gemeinsames Handeln sicherzustellen.

[xvii] Security Council Resolution 1325 (S/RES/1325 (2000))

[xviii] Üblicherweise haben Kriege und Auseinandersetzungen keine großen Unterschiede zwischen Militärs und Zivilisten oder zwischen Erwachsenen und Kindern gemacht. Bewaffnete Auseinandersetzungen wirken sich auf Frauen und Mädchen aber anders aus als auf Männer und Jungen, zum Beispiel durch verübte Vergewaltigungen und sexuelle Nötigungen von Bewaffneten der Regierung oder anderer Akteure, einschließlich des Personals von Friedensmissionen, sowie durch die Ausbreitung von HIV/AIDS und anderen sexuell übertragenen Krankheiten. Die meisten HIV/AIDS-Opfer in Entwicklungsländern sind Frauen und Mädchen. Diese Krankheit lässt Millionen von Waisenkindern zurück, um die sich meist ältere Frauen kümmern.

[xix] Während das Vetorecht oftmals zum Schutz gegen unterdrückende Mehrheitsansprüche gedient hat, hat es auch oft effektives Handeln gegen Staaten verhindert, die eine Bedrohung für ihre Nachbarn darstellen. Eine Übergangsmaßnahme könnte sein, das Vetorecht nicht auszuüben, wenn es um Angelegenheiten wie Völkermord oder schwere Bedrohungen des internationalen Friedens und der Sicherheit geht.

[xx] In der Charta der Vereinten Nationen heißt es: „Um ein schnelles und wirksames Handeln der Vereinten Nationen zu gewährleisten, übertragen ihre Mitglieder dem Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für die Wahrung des Friedens und der Sicherheit und erkennen an, dass der Sicherheitsrat bei der Wahrnehmung der sich aus dieser Verantwortung ergebenden Pflichten in ihrem Namen handelt.” (Artikel 24)

[xxi] Bei solchen zerrüttenden, destabilisierenden Faktoren handelt es sich unter anderem um das Unvermögen von Regierungen, religiöse und ethnische Minderheiten effektiv zu integrieren; zunehmend leichterer Zugriff auf Waffen; die Destabilisierung und der Zusammenbruch von Regierungen; und ein allgemeines Gefühl einer sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Krise — alle zusammen erzeugen sie ein Umfeld, das gewalttätige, radikale Ideologien einladen könnte, Platz zu greifen.

[xxii] Dies erfordert die Implementierung des strategischen Aktionsplans des Generalsekretärs (A/49/587), der zu verstärkter Beteiligung von Frauen auf Entscheidungsebene bei Konfliktbewältigung und Friedensprozessen aufruft. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, dem Plan gemäß internationalem Recht, einschließlich der Resolution 1325 des Sicherheitsrates (2000), zu folgen.