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Gesundheit, Erziehung und die Rolle der Frauen

Gesundheit, Erziehung und die Rolle der Frauen

Erklärung der Internationalen Bahá’í-Gemeinde zur 9. Sitzungsperiode der Südpazifik-Kommission, Ausschuß der Beauftragten von Regierungen und Verwaltung

Noumea, Neukaledonien—23 May 1988

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde, die die Bahá’í-Gemeinden der Region Pazifik vertritt, möchte sich bei der Südpazifik-Kommission ganz herzlich dafür bedanken, daß sie zur Teilnahme an dieser Sitzung des Ausschusses der Beauftragten von Regierungen und Verwaltung eingeladen wurde. Obwohl wir an all den vielen Fragen, die bei diesem Treffen besprochen werden, lebhaft interessiert sind, möchten wir uns auf eine Stellungnahme zu den Bereichen Gesundheit und Erziehung konzentrieren. Von der dynamischen Beziehung zwischen diesen beiden Entwicklungsbereichen des Menschen hängt die Verwirklichung aller anderen ganz wesentlich ab.

Die Bahá’í glauben, daß Gesundheit mehr ist als die Abwesenheit von Krankheit und körperlicher Schwäche. Zu den drei weithin anerkannten Gesundheitsbereichen – dem körperlichen, intellektuellen und sozialen Wohlergehen – gehört auch der ebenso wichtige geistige Bereich, der sich nicht nur beim einzelnen, sondern auch im Leben von Familie und Gesellschaft deutlich zeigen sollte.

Aufgrund dessen bemühen sich die Bahá’í-Gemeinden, sich bei ihrer Arbeit den Bedürfnissen des einzelnen, der Familie und der Gemeinschaft als Ganzem zu widmen. Die Rolle der Erziehung kann beim Verwirklichen dieses harmonischen Gleichgewichts aller Lebensbereiche nicht genug betont werden, und für diesen Vorgang ist die Ausbildung der Frauen ganz besonders wichtig.

Die Frauen sind die Hauptträger des elementaren Gesundheitswesens. Sie spielen beim Erhalten der Gesundheit in Familie und Gesellschaft eine wichtige Rolle. Sie wissen durch ihre sozialen Funktionen über Krankheit und Leid in der Gemeinschaft am besten Bescheid, weil sie die Kleinen, Alten, Kranken und Behinderten versorgen und beaufsichtigen. Sie haben auf die Gewohnheiten, nach denen in der Familie die Gesundheit gepflegt wird, großen Einfluß. Obwohl sehr oft erkannt wird, daß die primäre Gesundheitspflege den Bedürfnissen der Menschen entsprechen muß und die Frauen diese Bedürfnisse am allerbesten kennen, wird ihre Meinung kaum jemals eingeholt, wenn neue Programme für das Gesundheitswesen aufgestellt werden.

Wenn die Gemeinschaften vom Wissen der Frauen profitieren wollen, müssen die Frauen zu neuem Selbstvertrauen ermutigt werden. Die Frauen sollten lernen, sich als fähige Menschen zu betrachten, die aufgrund ihres angesammelten Wissensreichtums und ihrer Lebenserfahrung einen wichtigen Beitrag zu leisten haben. Des Weiteren sollte den Frauen gezielt geholfen werden, das von ihnen gesammelte Wissen zu systematisieren und zu artikulieren.

Sollte diese Mitarbeit Gestalt annehmen, dann müssen die Frauen in alle Bereiche des Gesundheitswesens vordringen. Sie sollten Ärztinnen, Krankenschwestern, Sozialhelferinnen, Erzieherinnen, Fachfrauen für landwirtschaftliche Entwicklung, Beamtinnen für Volksgesundheit, Planerinnen, Gesetzgeberinnen und Politikerinnen werden. Gleichzeitig sollten sie die Menschen an der Basis, auch Frauen und Frauen-organisationen, ermutigen, an Entscheidungen über Gesundheitsfragen für den einzelnen wie für die Gemeinschaft aktiv teilzunehmen. Keines dieser Ziele wird erreicht, bevor nicht mit Nachdruck Bildung und sprachliche sowie berufliche Ausbildung derart gestaltet werden, daß mehr Mädchen und Frauen davon Gebrauch machen können.

Wenn also die Gesundheitsschulung sowie gesundheitsfördernde Aktivitäten auf einfachen, aber wissenschaftlich vernünftigen Maßnahmen beruhen, an denen Frauen auf lokaler Ebene mitarbeiten können, wird die Investition von Mitteln in Grundprogramme zur Gesundheitsfürsorge sehr wahrscheinlich mehr Erfolg haben als die herkömmliche Methode, deren Ziel das Heranbilden hochqualifizierter Ärzte war, die an Kliniken und Krankenhäusern praktizieren.

Programme für elementare Gesundheitsfürsorge sollten in die Arbeit anderer Bereiche der Gemeindeentwicklung voll integriert sein, so z.B. in die für Landwirtschaft, Bildung, öffentliche Versorgung, Wohnungsbau und Kommunikation. Dabei sollte die Bevölkerung am Ort aktiv in das Abfassen und in die Verwirklichung dieser Vorhaben einbezogen werden, so daß die Gesundheitsfürsorge mit den örtlichen Bedürfnissen und Prioritäten abgestimmt werden kann. Diese Prioritäten werden auf Entscheidungen beruhen, die aus dem ständigen Dialog zwischen den Ansäßigen und den Hilfsdiensten hervorgehen.

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde befaßt sich z.B. in Indien, Malaysia, Tanzania, Kenia, Zambia und weiteren Ländern, auch in der Region Pazifik, aktiv mit elementarer Gesundheitsfürsorge. In Bahá’í-Dörfern laufen vielerlei Gesundheits- und Bildungsprogramme mit gutem Erfolg. Wir sind der Meinung, daß diese Programme deshalb Erfolge haben, weil sie die Gesamtbildung der Frauen als Schlüsselfaktor betrachten. Daraus folgt, daß der Selbstwert der Frauen Anerkennung findet und sie befähigt, bereitwilliger an Entscheidungen mitzuwirken, die sich auf die Gesundheit ihrer Gemeinde beziehen.

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde arbeitet weiterhin daran, das Leben in ihren Gemeinden durch diese Programme zu verbessern; nimmt aber gleichzeitig gerne Gelegenheiten wahr, Gesundheitsprogramme zu unterstützen, die örtliche sowie professionelle Freiwillige brauchen.

 

Die Familie – aus der Baha'i-Sicht

Die Familie – aus der Baha'i-Sicht

Eine Erklärung der Internationalen Baha'i-Gemeinde zur Beratung über »Die Familie als das erste Gemeinwesen«, die von der Arbeitsgruppe Familie der New Yorker Nichtstaatlichen Organisationen durchgeführt wurde.

New York—7 January 1987

Obwohl die meisten Gemeinwesen und Kulturen die Familie als eine notwendige und fundamentale Grundeinheit anerkennen, gibt es heute so viele Umgestaltungen, die das Wohl der Familie und das Glück ihrer Mitglieder bedrohen. Die Familie ist ein Mikrokosmos dieser Welt. Ihre Einheit muss vor dem Zerfall beschützt werden, wenn die Einheit und der Friede unseres Planeten verwirklicht werden sollen.

Die Bahá’í-Schriften legen großen Wert auf die Würde des Menschen. Sie betonen wie wichtig es ist, dass jeder Mensch sich die edelsten Fähigkeiten aneigne, um damit seinen besten Interessen sowie denen der Menschheit dienen zu können. Aus diesem Grunde haben die Bahá’í-Gemeinden der ganzen Welt neue Lehren und Prinzipien akzeptiert – und setzen diese in die Praxis um –, die sich auf die Gleichberechtigung von Mann und Frau, auf den wahren und letztendlichen Zweck der Ehe und des Familienlebens, auf die Beziehung der Familienmitglieder zueinander und zur Gesellschaft als Ganzes und auf die Erziehung der Kinder beziehen.

Die nachfolgenden Auszüge aus den Bahá’í-Schriften veranschaulichen die von den Bahá’í angestrebten Ziele.

Die Einheit und das Wohlergehen der Familie

»Wenn in einer Familie Liebe und Einklang herrschen, wird diese Familie vorankommen und geistig erleuchtet werden, wenn aber Feindschaft und Haß in ihr sind, können Zerstörung und Auflösung nicht ausbleiben.« (1)

»Wie leicht lassen sich die Angelegenheiten einer Familie regeln, wenn Einheit herrscht, welche Fortschritte machen dann die Familienmitglieder, wie erfolgreich sind sie in der Welt. Ihre Beziehungen sind geordnet, sie erfreuen sich behaglicher Ruhe. Sie sind ohne Sorge, ihre Stellung ist gesichert, sie werden von allen beneidet. Mit jedem Tag festigt eine solche Familie ihre Stellung und mehrt ihre dauernde Ehre. (2)

»Eine der wesentlichen Lehren des (Bahá’í-)Glaubens ist, daß in der Familie die Einheit erhalten werden muß.« (3)

»Die Beziehung zwischen den Ehepartnern muß im Zusammenhang mit dem Bahá’í-Ideal des Familienlebens gesehen werden. Bahá’u’lláh, der Gründer des Bahá’í-Glaubens, kam, der Welt die Einheit zu bringen, und eine grundlegende Einheit ist die der Familie. Daher müssen wir daran glauben, daß der (Bahá’í-)Glaube die Familie stärken und nicht schwächen will, und ein Schlüssel zu dieser Stärkung der Einheit ist liebevolle Beratung. Die Atmosphäre in einer Bahá’í-Familie sollte ebenso wie in der gesamten Gemeinde …‘nicht diktatorische Gewalt, sondern demütige Freundschaft, nicht despotische Machtausübung, sondern den Geist freier, liebevoller Beratung’ ausdrücken.« (4)

»Trotz liebevoller Beratung verbleiben in jeder Gruppe gelegentlich Fragen, über die sich keine Übereinstimmung erzielen läßt… Jedoch kann es keine Stimmenmehrheit mehr geben, wenn nur zwei Partner betroffen sind, wie im Falle von Mann und Frau. Deshalb sollte manchmal eine Frau ihrem Mann und manchmal ein Mann seiner Frau nachgeben, aber keiner sollte jemals den anderen unbillig beherrschen.« (5)

»Dies alles sind Beziehungen innerhalb der Familie, aber es gibt einen weiteren Bereich von Beziehungen zwischen Mann und Frau außerhalb der Familie… Obwohl zum Beispiel die Mutter die erste Erzieherin des Kindes ist und den wichtigsten gestaltenden Einfluß auf seine Entwicklung hat, ist auch der Vater für die Erziehung der Kinder verantwortlich… Liegt auch die Hauptverantwortung, die Familie finanziell zu versorgen, beim Mann, so bedeutet auch dies keineswegs, daß die Aufgabe der Frau auf das Heim beschränkt sei.« (6)

»Die Familie… ist eine ganz besondere ‘Gemeinde’. …Alle Familienmitglieder haben gegeneinander und gegenüber der Familie als Ganzem Pflichten und Verantwortlichkeiten, und diese Pflichten und Verantwortlichkeiten sind verschieden wegen der natürlichen Beziehungen der Familienangehörigen zueinander. Die Eltern haben unausweichlich die Pflicht, ihre Kinder zu erziehen – aber nicht umgekehrt; die Kinder haben die Pflicht, den Eltern zu gehorchen – die Eltern gehorchen nicht den Kindern. Die Mutter – nicht der Vater – bringt die Kinder zur Welt, pflegt sie im Säuglingsalter und ist somit ihr erster Erzieher; deshalb haben die Töchter vor den Söhnen ein Recht auf Erziehung… Die Erziehung, die ein Kind zuerst von der Mutter erhält, legt die sicherste Grundlage seiner künftigen Entwicklung. Eine natürliche Folge dieser Verantwortung ist das Recht der Mutter, von ihrem Mann versorgt zu werden – ein Mann hat gegen seine Frau kein ausdrückliches Recht auf Versorgung.« (7)

»Nach den Lehren Bahá’u’lláhs soll die Familie als eine menschliche Einheit nach den Regeln der Heiligkeit erzogen werden. Alle Tugenden sind der Familie zu lehren. Die Familienbande sind unversehrt zu bewahren; die Rechte der Familienmitglieder dürfen nicht verletzt werden, weder die des Sohnes noch die des Vaters oder der Mutter. Niemand darf rücksichtslos sein. Wie der Sohn bestimmte Pflichten gegenüber dem Vater hat, so hat der Vater Pflichten gegenüber dem Sohn. Die Mutter, die Schwester und die anderen Haushaltsmitglieder haben ihre eigenen Vorrechte. Alle diese Rechte müssen gewahrt werden, doch die Einheit der Familie muß erhalten bleiben. Die Schädigung eines Familienmitgliedes soll als die Schädigung aller gelten, das Wohl eines als das Wohl aller, die Ehre eines als die Ehre aller.« (8)

(Quellen: 1 – 8 Einheit der Familie, S. 22, 14, 39, 47, 50, 50, 48, 22.)

 

Ehe und Familie: Das Paar – die Grundeinheit der Gesellschaft

»Die Ehe ist eine hochheilige Einrichtung. Bahá’u’lláh sagte, ihr Zweck sei, Einheit zu fördern.« (1)

»Hinsichtlich der Frage zur Ehe: Wisse, daß das Gebot der Ehe ewig ist. Es wird niemals geändert oder umgewandelt. Das ist Gottes Schöpfung, und es besteht nicht die geringste Möglichkeit, daß Wechsel oder Wandel diese göttliche Schöpfung beeinflussen.« (2)

»Bahá’í-Ehe bedeutet die Bindung zweier Partner aneinander und ihre gegenseitige Zuneigung im Denken und Fühlen. Sie müssen sich jedoch mit größter Sorgfalt bemühen, mit der Wesensart des anderen gründlich vertraut zu werden, so daß der feste Bund zwischen ihnen eine ewige Bindung werde. Ihr Bestreben muß sein, liebevolle Gefährten und für immer und ewig in Einklang miteinander zu sein… Mann und Frau sollten körperlich eins sein, so daß sie einander ständig in ihrem geistigen Leben vervollkommnen…« (3)

»… das Leben eines Ehepaares sollte … ein Leben der Einheit und Eintracht sein, eine geistige wie körperliche Freundschaft. Der Haushalt soll ordentlich und gut geplant sein… Immer sollten sie froh und glücklich gestimmt, immer ein Quell für die Herzen anderer sein. Sie sollten ihren Mitmenschen ein Beispiel setzen, einander wahre und aufrichtige Liebe erweisen und ihre Kinder so erziehen, daß damit Ruhm und Ehre ihrer Familie kundgemacht wird.« (4)

(Quellen: 1, 3 u. 4 in »Einheit der Familie«, S. 42, 12 u. 24; 2 in »Tablets of ’Abdu’l-Bahá«, S. 474)

Ranggleichheit der Geschlechter

»Die Menschheit gleicht einem Vogel mit seinen zwei Schwingen – die eine ist männlich, die andere weiblich. Wenn nicht beide Schwingen stark sind und durch eine gemeinsame Kraft vorwärtsbewegt werden, kann der Vogel nicht gen Himmel fliegen. Im Einklang mit dem Geist dieses Zeitalters müssen die Frauen Fortschritte machen, ihre Lebensaufgabe in allen Bereichen erfüllen und den Männern gleichkommen. Sie müssen den gleichen Rang einnehmen wie die Männer und sich gleicher Rechte erfreuen.« (1)

»Die Frauen sind mit den Männern auf Erden gleichberechtigt. Für die Religion und die Gemeinschaft stellen sie einen sehr wichtigen Bestandteil dar. Solange den Frauen die höchsten Möglichkeiten verschlossen bleiben, werden die Männer außerstande sein, die Größe zu erlangen, zu der sie fähig wären.« (2)

»Der geringe Fortschritt, die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Frau sind auf fehlende Gleichberechtigung in der Erziehung und mangelnde Chancengleichheit zurückzuführen. Hätte man ihr diese Gleichstellung zugestanden, wäre sie zweifellos in Können und Vermögen dem Manne ebenbürtig. Das Glück der Menschheit wird Wirklichkeit, wenn Mann und Frau zusammenwirken und gemeinsam voranschreiten, denn jeder ist Ergänzer und Helfer des anderen.« (3)

(Quellen: 1 »The Promulgation of Universal Peace«, S. 375, 2 u. 3. in »Frauen«, Nr. 20, 18.)

Die Erziehung der Kinder

»Der Charakterfrage solltet ihr die größte Bedeutung zumessen. Es ist die Pflicht jeden Väters und jeder Mütter, ihre Kinder lange Zeit zu beraten und sie zu den Dingen zu führen, die zu ewiger Ehre gereichen.« (1)

»Die Mutter ist der erste Lehrer des Kindes. Denn Kinder sind am Anfang ihres Lebens frisch und zart wie ein junger Zweig und können auf jede gewünschte Weise gebildet werden. Wenn ihr ein Kind dazu erzieht, aufrecht zu sein, wird es aufrecht wachsen, in vollkommenem Gleichmaß. Es ist klar, daß die Mutter der erste Lehrer ist, und sie ist es, die den Charakter und das Verhalten des Kindes festlegt.« (2)

»Laßt die Mütter daran denken, daß alles, was Kindererziehung betrifft, von größter Wichtigkeit ist. Laßt sie in dieser Hinsicht jede Anstrengung unternehmen, denn wenn der Zweig grün und zart ist, wird er in jede vorgegebene Richtung wachsen. Darum ist es die Pflicht der Mütter, ihre Kleinen so heranzuziehen, wie ein Gärtner seine jungen Pflanzen pflegt.« (3)

»Daß der erste Lehrer des Kindes die Mutter ist, sollte nicht überraschen, denn zuerst richtet sich das Kind nach seiner Mutter. Diese Vorsehung der Natur setzt die Vaterrolle in der Bahá’í-Familie keineswegs herab. Auch hier bedeutet Gleichberechtigung nicht Gleichheit der Aufgabe.« (4)

»Erzieht diese Kinder durch göttliche Ermahnungen. … Lehrt sie, sich von menschlichen Unvollkommenheiten zu befreien und die im menschlichen Herzen verborgenen göttlichen Vollkommenheiten zu erlangen. Das Leben des Menschen ist nützlich, wenn er die menschlichen Vollkommenheiten erlangt. … Deshalb bemüht euch, daß diese Kinder richtig ausgebildet und erzogen werden und daß ein jedes von ihnen Vollkommenheit in der Menschenwelt erlangt.« (5)

»Das Kind darf nicht unterdrückt oder getadelt werden, weil es unterentwickelt ist, es muß mit Geduld erzogen werden.« (6)

(Quellen: 1  »Briefe und Botschaften« 108, 2, 3, 5, 6 in »Ziele der Kindererziehung«, S. 75, 76, 112, 114; 4 in »Frauen«, S. 52)

Die Familie als Mikrokosmos

»… die menschliche[n] … , die ihren Uranfang in der Geburt des Geburt des Familienlebens hat, deren weitere Entfaltung zur Stammeseinheit und Bildung des Stadtstaates führte, und die sich später zur Bildung unabhängiger, souveräner Nationen erweiterte.« (1)

»Vergleiche die Nationen der Welt mit den Mitgliedern einer Familie. Eine Familie ist eine Nation im Kleinen. Erweitere einfach die Reichweite des Haushalts, und du erhältst die Nation. Vergrößere den Kreis der Nationen, und du hast die gesamte Menschheit. Die Bedingungen, unter denen die Familie lebt, gelten auch für die Nation. Die Ereignisse in der Familie sind auch Ereignisse im Leben des Staates.

»Würde es zur weiteren Entwicklung und zum Wachstum einer Familie beitragen, wenn Zwietracht unter ihren Mitgliedern entstünde und sie einander eifersüchtig und rachsüchtig bekämpften und vernichteten um ihres selbstsüchtigen Vorteils willen? Nein, Entfaltung und Wachstum würden davon ausgetilgt. So ist es auch in der großen Familie der Nationen, denn die Nationen bestehen nur aus einem Kollektiv von Familien.« (2)

»Betrachte die schädliche Wirkung von Zwietracht und Meinungsstreit in einer Familie; alsdann denke über die Gnadengaben nach, die auf diese Familie herabkommen, wenn Einheit zwischen ihren Gliedern besteht. Welch unermeßliche Wohltaten und Segnungen würden auf die große menschliche Familie herabkommen, wenn Einheit und Brüderlichkeit herrschten.« (3)

(Quellen: 1 »Die Weltordnung Bahá’u’lláhs« S. 70; 2 in »Foundations of World Unity« S. 100; 3 in »Einheit der Familie«, S. 23)

Wirtschaftliche Entwicklung

Wirtschaftliche Entwicklung

Erklärung der Internationalen Bahá’í-Gemeinde zur 26. Südpazifik-Konferenz

Papeete, Französisch-Polynesien—3 November 1986

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde schätzt wiederum die Gelegenheit, als Beobachter an dieser 26. Südpazifik-Konferenz teilnehmen zu dürfen. Diese Konferenz gibt uns die wichtige Möglichkeit, unsere sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsprogramme mit denen der Südpazifik-Kommission, der Regierungen dieser Region und anderer hier vertretenen Organisationen abzustimmen. Die Arbeit offizieller Entwicklungs- und technischer Hilfsprogramme sowie die von nichtstaatlichen Organisationen wie der Internationalen Bahá’í-Gemeinde ergänzt und stärkt sich oft gegenseitig. In unserem Interesse und ganz besonders im Interesse der Menschen im südpazifischen Raum sollten wir lernen, uns zu unterstützen und zusammenzuarbeiten.

Regenerierbare Energie ist das Hauptthema dieser Konferenz. Wie so viele andere Teilbereiche der Technologie, ist sie mit den sittlichen Werten verbunden, nach denen wir leben. Heute ist fast der ganze pazifische Raum energieabhängig. Würde und Selbstachtung des Menschen verlangen jedoch selbständige Verantwortung und Unabhängigkeit von fremder Hilfe. Herkömmliche Inselgemeinden waren wirtschaftlich unabhängig. Die letzten hundert Jahre wurden aber Zeuge eines Abgleitens in westlich materialistische Lebensweisen. Diese erforderten hohe Energiemengen aus fossilen Brennstoffen, die zusammen mit den Technologien, für die sie gebraucht wurden, eingeführt werden mußten. Schwache Inselwirtschaftssysteme werden durch Einfuhrkosten, Preisschwankungen, Schutzlosigkeit gegen Überseekrisen, Probleme kleineren Umfangs und Schwierigkeiten, die mit der Instandhaltung dieser Technologien verbunden sind, schwer belastet. Neue, den Inselbedingungen besser angepaßte Lösungen sind erforderlich.

Die Bahá’í-Schriften verweisen auf die Notwendigkeit, alle verfügbaren Energiequellen auf der Oberfläche des Planeten nutzbar zu machen. Da es im pazifischen Raum extrem wenig fossile Brennstoffe gibt, wird nur die Erschließung der vorhandenen, regenerierbaren Energiequellen den Inselstaaten den Abbau ihrer Abhängigkeit von eingeführten Brennstoffen ermöglichen. Regenerierbare Energiequellen können auch meistens besser an die verstreute, dezentralisierte Art der Inselgemeinden angepaßt werden, und manche Energiesysteme sind dem Stand der auf den meisten Inseln verfügbaren Fachkenntnisse entsprechend mindestens leichter instandzuhalten. Es stehen viele regenerierbare Energiequellen und Technologien zur Verfügung wie z.B. Sonnenenergie, Wasserkraft und Biogas, wobei deren Verwendbarkeit von Insel zu Insel verschieden sein wird. Manche sind anwendungsbereit, andere müssen noch erprobt und entwickelt werden. Die Bahá’í-Gemeinden im pazifischen Raum sind an der Mitarbeit bei der Entwicklung geeigneter regenerierbarer Energiequellen interessiert und haben bereits erste Schritte unternommen.

Unserer Ansicht nach ist wichtig, daß örtliche Gemeinden beraten werden, welche regenerierbaren Energietechnologien für ihre Bedürfnisse geeignet sind. Umfangreiche Beratung mit allen Betroffenen kann helfen, Fehler zu vermeiden und die für den Erfolg oft unentbehrliche Unterstützung der Allgemeinheit sicherzustellen. Durch örtliche Mitarbeit bei der Einrichtung und Instandhaltung von regenerierbaren Energiesystemen sollte so viel wie möglich Selbstvertrauen entwickelt werden.

Es wird Zeit und Mühe kosten, in dieser Region die derzeit gravierende Abhängigkeit von importierten Brennstoffen durch vorwiegend örtliche und regenerierbare Energiequellen zu ersetzen. Es lohnt sich jedoch, dieses Ziel zu verfolgen, denn dadurch werden Selbstachtung und Menschenwürde, jene wichtigen Inselwerte, eher gestärkt als verringert.

Erziehung zu internationaler Verständigung und Frieden

Erziehung zu internationaler Verständigung und Frieden

Internationales Symposium

Barcelona, Spain—7 July 1986

In der “Verheißung des Weltfriedens”, einer vor kurzem vom Universalen Haus der Gerechtigkeit, dem internationalen Führungsgremium der Bahá’í-Weltgemeinde, an die “Völker der Welt” gerichteten Erklärung, sind die vielerlei Herausforderungen umrissen, denen wir Erdenbewohner mit klarem Verstand begegnen müssen, um sowohl unseren eigenen Charakter, als auch den unserer gesellschaftlichen Beziehungen umzugestalten, ehe wir den Weltfrieden und über diesen ersten Schritt hinaus die Einigung der Menschheit erreichen können.

Man kann sich zwar vorstellen, daß morgen die Führer der Nationen dieses Planeten zum Wohle der gesamten Menschheit die allgemeine und komplette Abrüstung, die Einheit und den Frieden vereinbaren könnten. Möglich ist es. Aber selbst wenn solch ein Wunder geschehen sollte und die Nationen überein kämen, jeden Kampf einzustellen und in Freundschaft zu leben, was für Menschen, so möchten wir fragen, würden dann diesen friedlichen Planeten bewohnen?

Die Antwort ist natürlich klar: die selben Menschen, die in ihrem heute dürftig entwickelten sittlichen und geistigen Charakter Vorurteile hegen, die die Flamme der Diskriminierung kräftig am Leben halten, die für andere und sich selbst Unheil produzieren – sie würden diese Welt ohne Krieg bewohnen.

Es ist in diesem kurzen Arbeitspapier nicht möglich, die Bestandteile eines Erziehungsprogramms, das die volle Entfaltung der Fähigkeiten der Menschen vorsieht, wissenschaftlich zu untersuchen. Die Erwähnung einiger grundlegender Erfordernisse muß daher genügen.

Die “Verheißung des Weltfriedens” bemerkt: “… die Abschaffung des Krieges ist nicht einfach eine Sache der Unterzeichnung von Verträgen und Protokollen. Es ist vielmehr eine vielschichtige Aufgabe, die auf neuer Ebene den Einsatz erfordert, Probleme zu lösen, die üblicherweise nicht mit dem Streben nach Frieden in Verbindung gebracht werden.”

Die in der Erklärung beschriebenen beherrschenden Kernpunkte zur Lösung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Schlüsselprobleme, deren weiterwirkende Ungerechtigkeit die Uneinigkeit schürt, sind Rassismus, der krasse Unterschied zwischen reich und arm, zügelloser Nationalismus und religiöser Hader. Außerdem verlangt das Friedensziel die Gleichstellung der Frau, universelle Bildung und die Annahme einer internationalen Hilfssprache. Eine Korrektur oder Neueinrichtung dieser Bedingungen in der Welt ist unbedingt erforderlich, denn “Die Vorstellung kollektiver Sicherheit bleibt eine Chimäre, wenn sie allein auf politischen Abmachungen beruht.”

Als zweiter wichtiger Punkt muß berücksichtigt werden, daß “die Herausforderung bei der Behandlung der Friedensfrage darin besteht, daß die Zusammenhänge vom reinen Pragmatismus auf die Ebene der Prinzipien gehoben werden müssen, denn

“der Frieden erwächst dem Wesen nach aus einem inneren Zustand, getragen von einer geistigen oder ethischen Einstellung, und es geht vor allem darum, diese Einstellung wachzurufen, damit sich die Möglichkeit zu dauerhaften Lösungen findet.”

Wir Bahá’í meinen: “Die Hauptfrage, die es zu lösen gilt, lautet, wie die heutige Welt mit ihren tiefsitzenden Konfliktstrukturen in eine Welt verwandelt werden kann, in der Eintracht und Zusammenarbeit vorherrschen.” Der Schlüssel liegt in der Einheit der Menschheit.

Weltweite Erziehung ist dafür verantwortlich, vom Zustand des Erkennens der Einheit der Menschheit zum Entstehen brauchbarer Verhältnisse hinzuführen, in denen diese Einsicht zur Gegebenheit des Alltagslebens wird. Unwissenheit, das haben wir erlebt,

“ist unbestreitbar der Hauptgrund für den Abstieg und Untergang der Völker und für das Fortbestehen von Vorurteilen.”

Jedes weltweite Erziehungs-programmes für Verständigung und Frieden sollte sicherstellen, daß die Einheit der Menschheit

…weltweit verkündet, in den Schulen gelehrt und in jedem Land beharrlich zur Geltung gebracht. (wird)… als Vorbereitung auf den durch … (sie) … bedingten organischen Wandel der Gesellschaftsstruktur.

Hier liegt die Herausforderung an uns. Es ist ein Wandel, den die Bahá’í-Gemeinden in über 140 unabhängigen Staaten intensiv

zu erreichen bemüht sind. Heute widmet sich die Bahá’í-Weltgemeinschaft mit drei bis vier Millionen Mitgliedern aus vielen Kulturkreisen, Klassen und Glaubensrichtungen in einem breiten Tätigkeitsspektrum den geistigen, sozialen und wirtschaftlichen Nöten der Völker vie ler Länder. Ihr Einsatz bei der Erziehung zu internationaler Verständigung und Frieden beginnt, Früchte zu tragen und liefert ein Zeugnis dafür, “daß die Menschheit als globale Gesellschaft leben kann und jeder Herausforderung, die ihr Eintritt in das Mündigkeitsalter mit sich bringt, gewachsen ist.”

Internationales Jahr des Friedens

Internationales Jahr des Friedens

Erklärung der Internationalen Bahá’í-Gemeinde zur fünften Sitzungsperiode der Südpazifik-Kommission, Ausschuß der Beauftragten von Regierungen und Verwaltung

Noumea, Neukaledonien—26 May 1986

In Vertretung der Bahá’í der Länder und Inseln im pazifischen Raum freut sich die Internationale Bahá’í-Gemeinde sehr, bei diesem Treffen des Ausschusses aus Beauftragten von Regierungen und Verwaltung eine Erklärung vorlegen zu können.

Dieses Jahr, das von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr des Friedens (IJF) erklärt wurde, bildet einen besonders markanten Punkt in der ständig voranschreitenden Entwicklung der Menschheit. Die Frage eines dauerhaften Friedens und erheblich weitreichenderer Völkervereinigung, die für das Überleben der Menschheitsfamilie im Mittelpunkt steht, wird jetzt sorgfältig geprüft – nicht als utopischer Traum, sondern als unvermeidliche, erreichbare Wirklichkeit. Sie ist für die Führer und Verwaltungsbehörden im Pazifik gleichzeitig Aufgabe und Herausforderung. Aus Anlaß des IJF hat das Universale Haus der Gerechtigkeit, der internationale Führungsrat des Bahá’í-Glaubens, eine an die Völker der Welt gerichtete Erklärung zum Frieden herausgegeben. Diese Erklärung wird allen Staatsoberhäuptern überreicht und zeigt in groben Zügen die zur Errichtung des Weltfriedens nötigen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und geistigen Voraussetzungen.

Die Völker im Südpazifik, deren besondere Merkmale Gemeinschafts- und Gruppengeist, Toleranz, Glaube, Langmut und gut nachbarschaftliches Verhalten sind, bieten eine gute Grundlage für den Aufbau höherer Ziele und Ideale, die dem dynamischen Gemeindewachstum und friedvollen Dasein wirklich nützen. Wie in den meisten Entwicklungsländern der Welt werden Gemeinschaftswerte auf dem Land, wo die Mehrheit der Bevölkerung lebt, am besten gepflegt.

Kraft und Wert der Entwicklung eines Landes hängen von der tatsächlichen und sinnvollen Mitarbeit seiner Bürger am Aufbauprozess des Staates ab. Schon immer verdiente die Tatsache Bewunderung, daß die Inseln und die Länder in der Region Südpazifik trotz der ungeheueren Probleme, die ihnen durch geographische Isolation, oftmals begrenzte Wirtschaftsquellen und ihre Vielfalt an Rassen und Sprachen aufgebürdet wurden, es schafften, daß sich unter ihrer jeweiligen Führung konsequent ein Sinn für Zweck und Hauptsache entwickelte und sich durch eine Beteiligungsart, wie sie dieses Treffen deutlich zeigt, ein bedeutsames Identitätsempfinden ausprägte.

Die Grundwerte einer Gesellschaft bestimmen die von einer Nation angestrebte Lebens- und Bildungsart. Diese beeinflußt ihrerseits deren technologische Ziele. Obwohl das Fördern von Bildung und Technologie ein Muß ist, wenn wir die Vorteile der Wissenschaft besser nutzbar machen wollen, müssen wir dennoch einsehen, daß diese an sich Hilfsmittel und nicht der Endzweck sind. Die Frage lautet dann: Auf welches Ziel richten wir unsere Zukunft aus, und wie können wir die uns zur Verfügung stehenden Mittel zu dessen Verwirklichung am besten einsetzen.

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde möchte die Ansicht äußern, daß beim Ordnen der menschlichen Verhältnisse unsere Aufmerksamkeit auf das Schaffen einer Welt gerichtet sein sollte, die sich über alle wesentlichen Aspekte ihres Daseins einig ist. Dies beinhaltet das Erreichen einer dynamischen Verbundenheit von geistigen und praktischen Lebensbedingungen auf Erden. Wir sehen, daß eine einigende Geisteshaltung als unerläßliche Voraussetzung dasein muß, um ein sinnvolles soziales und wirtschaftliches Wachstum und genau den Frieden und die Sicherheit zustande zu bringen, nach denen sich die Region sehnt.

Die Bahá’í-Gemeinden im gesamten pazifischen Raum, selbst in den entlegensten Dörfern, erkennen und arbeiten für das Ziel, die geistigen und menschlichen Bedürfnisse wirklich in Übereinstimmung und Harmonie zu bringen. Dies zeigt sich im Aufbau nationaler und örtlicher Institutionen, welche die Bahá’í selbst wählen, und die sich um die geistigen, sozialen und wirtschaftlichen Erfordernissen kümmern, indem sie ihre Angelegenheiten gemäß gemeinsam angenommenen Beratungsprinzipien regeln. Ein grundlegendes Prinzip ist für die Bahá’í das ständige Anwenden der Kunst der Beratung bei allen Angelegenheiten, ob groß oder klein. Genau nach diesem Prinzip werden gemeinsam gefaßte Beschlüsse, die zu gemeinsamen Aktionen führen, in die Realität der Gemeindearbeit übertragen. Der Schlüssel zum Erfolg, so glauben die Bahá’í, liegt im Geist der Einheit im Handeln. Im gesamten pazifischen Raum werden die sozialen und wirtschaftlichen Programme von den Bahá’í in ländlichen Gebieten durchgeführt. Manche sind voll in Betrieb, andere stecken im Anfangsstadium. Dazu gehören Gemeindeentwicklungsprojekte wie ein genossenschaftliches Bootebauprogramm in Fiji, Frauenentwicklungsarbeit in West Samoa und Alphabetisierungsprogramme für Erwachsene in Vanuatu. Kindergärten und Tutorschulen arbeiten in Tuvalu, Tonga, Papua Neugionea und Vanuatu, und bescheidene Anfänge mit Gesundheits-, Ernährungs-, Landwirtschafts- und Viehzuchtprogrammen wurden hauptsächlich in West-Samoa und Papua Neuguinea gemacht. All dies ist das Ergebnis des Grundsatzes, daß die Gemeinden zusammenkommen, um über ihre Wohlfahrts- und Entwicklungsfragen zu beraten und nachzudenken. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, daß die zur Entwicklung nötigen geistigen und materiellen Kräfte potentiell in den einzelnen und den Gemeinden vorhanden sind. Obwohl diese von einer relativ kleinen Bahá’í-Gemeinde mit begrenzten Mitteln durchgeführten Versuche bescheiden sind, vertrauen wir voll darauf und hoffen, daß mit der Zeit Bemühungen dieser Art nicht nur ein Beitrag zur nationalen Entwicklung sind, sondern daß auch einige der Bahá’í-Arbeitsprinzipien und -methoden als Modell zur geistigen Motivation ganzer Gemeinden dienen mögen.

Die Bildung und Förderung der Frauen ist eine der Hauptpflichten örtlicher und nationaler Bahá’í-Institutionen. Die Bahá’í sind der Meinung, daß erst wenn die Frauen als gleichberechtigte Partner in allen Bereichen menschlichen Strebens gern gesehen sind, das moralische und psychologische Klima geschaffen wird, in dem der internationale Friede sich entwickeln kann. Daß die Bahá’í dieses Prinzip anwenden zeigt sich deutlich in dem hohen, wachsenden Maße, in dem Frauen nicht nur in den Bahá’í-Institutionen, sondern auch in anderen Beratungsgruppen, die sich mit Fragen zur Förderung von Frauen und der Gemeinde als Ganzem beschäftigen, bereitwillig mitarbeiten.

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde sieht außerdem in bestimmten anderen Bereichen die Möglichkeit zur Zusammenarbeit zwischen Bahá’í-Unternehmen und Regierungs-, bzw. Privatorganisationen, die sich im Südpazifik mit sozialen und wirtschaftlichen Programmen befassen. Im folgenden seien einige Bereiche geschildert, die eine nähere Betrachtung rechtfertigen:

  1. Von den Bahá’í ins Leben gerufene Entwicklungsprojekte könnten für die Schüler der Schulen im Umkreis der Einsatzort sein, an dem sie ihren Sozialdienst und ihr Praktikum ableisten. Wenn man die Schüler in jungen Jahren in die Vorstellung von sinnvoller Teilnahme an der Gemeindearbeit einbezieht, prägt sich ihnen eine Geisteshaltung ein, die ihren künftigen Aufgaben als Erwachsene angemessen ist.
  2. Die an der Basis der Gesellschaft vorhandenen, funktionierenden Bahá’í-Institutionen bilden eine Zuflucht, die Regierungsplaner, Administratoren und Volksbildungshelfer in Anspruch nehmen können, wenn sie lokale Informationen einholen, die Gemeinde betreffende Probleme erkennen oder andere sowohl technische wie beratende Unterstützung erhalten wollen.
  3. In manchen Gebieten des Südpazifik ist der Zugang zu abgelegenen, einsamen Dörfern oft ein Problem. In manchen Fällen haben die in solchen Gebieten lebenden Menschen nicht einmal die einfachste, planmäßige Infrastruktur oder die Vorteile modernen Wissens, um aus den vielen Programmen und Projekten, die ihre Regierungen für sie planen, Gewinn zu ziehen. Das Problem, zu motivieren und die örtlichen Initiativen in Gang zu halten, hat zur Folge, daß die Nutzung vieler dieser Pläne von kurzer Dauer ist. Die Bahá’í in diesen einsamen Gemeinden, denen ihre jeweiligen örtlichen und nationalen Institutionen helfen, können zum Entstehen des für das Gemeindewachstum lebenswichtigen Geistes der Zusammenarbeit beitragen und geeignete Wege zum Dialog öffnen.
  4. Die nationalen und örtlichen Bahá’í-Institutionen halten im gesamten südpazifischen Raum untereinander enge Beziehungen aufrecht. Diese Verbindung ermöglicht ihnen, Ideen und Erfahrungen untereinander auszutauschen. Die Bahá’í schätzen die Unterstützung, die sie von ihrer jeweiligen Regierung erhalten, und die Internationale Bahá’í-Gemeinde teilt ihre Sachkenntnis und ihren Dienst, wie bereits in Verbindung mit der Südpazifik-Kommission geschehen, gerne mit Ihnen.

An diese Bereiche denken wir jetzt, und sicher werden weitere entstehen, während die Bahá’í-Gemeinden in diesem Gebiet sich konsolidieren und ihre sozialen und wirtschaftlichen Programme ausbauen.

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde ist den Organisatoren dieses Treffens wirklich dankbar, daß sie die Gelegenheit zur Darstellung einiger ihrer Gesichtspunkte bekam. Das Engagement der Internationalen Bahá’í-Gemeinde in Sachen sinnvoller sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung im Südpazifik wurde bereits bei früheren Foren dieser Art zum Ausdruck gebracht. Sie wird weiterhin lebhaftes Interesse zeigen, durch ihre Mitarbeit beitragen und nach Möglichkeiten suchen, um der Entwicklung dieses Gebietes und seiner Völker ihre Dienste zu erweisen.

Entwicklung und Weltfrieden

Entwicklung und Weltfrieden

Eine Erklärung der Internationalen Bahá’í-Gemeinde bei der zweiundvierzigsten Sitzungsperiode der Wirtschafts- und Sozialkommission für Asien und den Pazifik

Bangkok, Thailand—22 April 1986

Die Rückschau und Bewertung der internationalen Entwicklungsstrategie, die vom Sekretariat bei der 41. Sitzungsperiode von ESCAP vorgelegt wurde, behandelt ausführlich die bekannte Tatsache, daß die Verwirklichung vieler Ziele und Pläne des dritten Entwicklungsjahrzehnts der Vereinten Nationen bisher wenig vorangekommen ist. Zum Beispiel bleibt der Aufbau eines sich selbst in Gang haltenden Entwicklungsprozesses in den am wenigsten entwickelten Ländern, der sich garantiert auf allgemeine Beteiligung stützen kann, weiterhin eher eine Sehnsucht als eine Realität. Und ungeheure Ungleichheiten in Lebensstandard und Wohlstand bestehen weiterhin sowohl zwischen den Ländern innerhalb der asiatischen und pazifischen Region wie auch zwischen diesen und den mehr entwickelten Gebieten der Welt.

Es gibt genügend Gründe für diese Frage, die auch in einer Erklärung des internationalen Führungsgremiums des Bahá’í-Glaubens angesprochen wird, einer Erklärung, in der die politischen, sozialen, wirtschaftlichen und geistigen Erfordernisse zur Errichtung des Weltfriedens umrissen sind. Sie wurde vor kurzem aus Anlaß des Internationalen Jahres des Friedens veröffentlicht und erläutert, warum nach Ansicht der Bahá’í ein Großteil aller Völker “immer tiefer in Hunger und Elend versinkt, wenn den heutigen Sachwaltern der Gesellschaft Reichtum in einem Maße zur Verfügung steht, von dem die Pharaonen, die Caesaren oder selbst die imperialistischen Mächte des neunzehnten Jahrhunderts nicht hätten träumen können.”[i]

Wir möchten bei unserer Intervention einige der in dieser Erklärung genannten Punkte erläutern und auf dieser Grundlage aus der Bahá’í-Sicht einige Schritte empfehlen, mit deren Hilfe die Umsetzung der Strategie für das dritte Entwicklungsjahrzehnt sowie das gewichtige neue Arbeitsprogramm für die achtziger Jahre für die am wenigsten entwickelten Länder in der ESCAP-Region gefördert werden.

Die Bahá’í sind überzeugt, daß erfolgreiche Entwicklungsbemühungen von denen, die am Entwicklungsprozeß teilnehmen, vor allem den Sinn für das Mitmachen und die Zusammenarbeit verlangen. Das Fehlen dieses Sinnes für die gemeinsame Anstrengung – innerhalb örtlicher Gemeinden und Nationen oder unter Ländern – ist unserer Meinung nach der Hauptgrund für den begrenzten Erfolg des dritten Entwicklungsjahrzehnts und für den Fortbestand massiver wirtschaftlicher Ungleichheiten. Die Bahá’í glauben, daß die erforderliche höhere Ebene der Zusammenarbeit nur durch die aufrichtige Wertschätzung der Einheit der gesamten Menschheit hervorgebracht werden kann. Nur auf einer solchen Grundlage können die auf Nation, Rasse, Religion, Geschlecht oder anderes bezogenen Vorurteile, die eine entschlossene und unparteiische Entwicklungsarbeit behindern, ausgerottet werden. Die Bedeutung der Zusammenarbeit auf jeder Ebene wird in der Erklärung zum Frieden, auf die wir uns vorher bezogen, wie folgt unterstrichen:

Der krasse Unterschied zwischen arm und reich, eine Quelle heftigsten Leides, hält die Welt in einem Zustand der Instabilität am Rande des Krieges. Nur wenige Gesellschaften haben diese Situation erfolgreich gemeistert. Die Lösung erfordert die kombinierte Anwendung geistiger, moralischer und praktischer Mittel. Das Problem muß in einem Licht betrachtet werden; es bedarf der Beratung durch Experten aus einem breiten Spektrum von Fachbereichen, frei von wirtschaftlicher und ideologischer Polemik, unter Einbezug der von den dringend zu fällenden Entscheidungen direkt Betroffenen.[ii]

Dieses Zitat wirft eine Anzahl Fragen zur Zusammenarbeit auf. Erstens sollte die Zusammenarbeit darauf ausgerichtet sein, das Leid der Menschen auszumerzen und für jeden die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse sicherzustellen. Wir stimmen der Entwicklungsstrategie, daß “der Entwicklungsprozeß die menschliche Würde fördern muß”, voll und ganz zu. Nach Meinung der Bahá’í wurde der Mensch als edles Wesen von Gott erschaffen, und jeder Mensch hat das Recht und die Pflicht, nicht nur seine eigene Leistungsfähigkeit zu entfalten, sondern auch den Adel seines Charakters zu entwickeln, indem er sich für dieselbe Würde für andere Menschen einsetzt. Aus diesen Gründen glauben wir, daß auf die Verbesserung der schlimmen Lage der Ärmsten in den ESCAP-Ländern und die Ausweitung ihrer bereits vorhandenen Programme, die auf die Verbesserung von Gesundheit und Ernährung und die Verminderung der Kindersterberate ausgerichtet sind, ganz besonderer Nachdruck gelegt werden muß.

Zum zweiten ist der Bahá’í-Ansicht nach die enge Kooperation der örtlichen Bevölkerung, die sich in zusammenarbeitenden Gruppen und Organisationen zeigt, für den Erfolg von dauerhaften und unparteiischen Gemeindeentwicklungsbemühungen unbedingt erforderlich. Wir glauben, daß Entwicklung nur dann erfolgreich und selbsttragend sein kann, wenn sie die schöpferischen Kräfte, Fähigkeiten und Anregungen aller Männer und Frauen in Anspruch nimmt und sie dabei zum Wachsen bringt. Sie muß in erster Linie als lokaler Vorgang wirken und auf die uneingeschränkte Mitarbeit der Gemeindemitglieder an jedem Teil dieses Prozesses bauen. Die Entwicklung einer gesunden Lokalwirtschaft durch Einbeziehen der Gemeinde würde das Problem der Arbeitslosigkeit und der Abwanderung in die Städte, das viele Länder der asiatischen und pazifischen Region weiterhin belastet, verringern helfen. Unsere Überzeugung, daß das System der allgemeinen Teilnahme erfolgreich sein kann, beruht auf praktischen Erfahrungen, die Bahá’í-Gemeinden in dieser Region bei Projekten gewonnen haben, die auf örtlicher Beteiligung und Initiative basierten.

Zum dritten sind wir überzeugt, daß die Frauen aktiv an diesem örtlichen Entwicklungsprozeß teilnehmen müssen. Daher begrüßen wir solche Initiativen wie das Projekt für Frauen in der Landwirtschaft in Asien, das im letztjährigen Bericht über die Aktivitäten des Sekretariats zur Unterstützung des gewichtigen neuen Arbeitsprogramms geschildert wird. Wir Bahá’í glauben außerdem, daß im Rahmen der hohen Priorität, die allen Erziehungsbemühungen gewährt werden sollte, der Bildung von Frauen und Mädchen höchste Priorität eingeräumt werden muß, und zwar deshalb, weil – wir zitieren wiederum aus der Friedenserklärung – “durch gebildete Mütter der Nutzen des Wissens am wirksamsten und schnellsten die Gesellschaft durchdringen kann.”[iii] Ferner bildet die auf einen solchen Kernpunkt ausgerichtete Erziehung eine wesentliche Komponente, um das Selbstvertrauen und die Unabhängigkeit von fremder Hilfe auf örtlicher Ebene zu steigern, weil die Frauen ein entscheidendes, jedoch oft vernachlässigtes Element in der Familie und der lokalen Wirtschaft sind. Demnach schlagen wir vor, daß die ESCAP nach Möglichkeiten forscht, wie sie ihren Einsatz für die Ausbildung der Frauen in allen Wissensgebieten, einschließlich der Bereiche Gesundheit, Ernährung, Landwirtschaft, Handel und Gewerbe steigern und verbessern kann.

Nicht zuletzt ist zur Ausrottung der massiven Ungleichheit unter den Nationen, die die Welt noch immer aus dem Gleichgewicht bringt, die Zusammenarbeit zwischen den Ländern von entscheidender Bedeutung. Ein neues Maß an bewußter Anerkennung einer Weltgemeinschaft muß geschaffen werden, damit die entwickelten und die sich entwickelnden Länder willens werden, Zoll- und Handelsschranken zu beseitigen, die entwikkelten Länder ihre staatlichen Entwicklungshilfezusagen für die Strategieziele erfüllen und überbieten und die technisch fortgeschrittenen Nationen ihre Technologie und Sachkenntnis mit den weniger entwickelten Ländern teilen.

Wir meinen, daß das Entwickeln einer Kooperationshaltung in allen von uns angesprochenen Sachgebieten einen globalen Unterricht erfordert, der die Wahrheit vermittelt, daß die Menschheit eine Einheit ist. Die Erziehung in der Vorstellung von lokaler, nationaler und Welt-Bürgerschaft sollte bei den Entwicklungsbemühungen Priorität haben und auf alle Bereiche der Gesellschaft ausgerichtet sein. Eine steigende Zahl an von Bahá’í-Mitgliedern finanzierten Unterrichtsprogrammen in asiatischen und pazifischen Ländern und in anderen Staaten rund um die Welt bietet bereits Kindern aus allen Glaubensrichtungen und jedweder Herkunft ein solches Bildungssystem an.

Zum Abschluß möchten wir den bedeutsamen ESCAP-Bemühungen, die vereinbarten brauchbaren Entwicklungsstrategien aufeinander abzustimmen und zu fördern, unsere Anerkennung aussprechen. Die Bahá’í-Gemeinden in der Region werden fortfahren, den Zielen der Dekade in hohem Maße Vorrang einzuräumen, indem sie sich auf allen Ebenen für Zusammenarbeit und Entwicklung einsetzen.


[i] Die Verheißung des Weltfriedens, S. 17
[ii] Die Verheißung des Weltfriedens, S. 22

[iii] Die Verheißung des Weltfriedens, S. 24, 25

Verhütung und Bekämpfung von Drogen- und Suchtstoffmissbrauch — aus der Baha'i-Sicht

Verhütung und Bekämpfung von Drogen- und Suchtstoffmissbrauch — aus der Baha'i-Sicht

Aktualisierte und überarbeite Erklärung, ursprünglich am 14. November 1974 der Abteilung für Rauschmittel der Vereinten Nationen als Antwort auf einen Fragebogen über »Aktivitäten um Kampf gegen den Drogenmissbrauch« vorgelegt.

14 February 1986

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde, die aus Bahá’í-Gemeinden in über 140 unabhängigen Ländern mit einer Mitgliederzahl von über drei Millionen (1989: 150 Länder und rund fünf Millionen) Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen beiderlei Geschlechts besteht und Menschen aus über zweitausend ethnischen Gruppen vertritt, lebt nach den Grundsätzen und Lehren Bahá’u’lláhs, des Stifters des Bahá’í-Glaubens.

Eines dieser Gesetze ist die »völlige Enthaltsamkeit von allen alkoholischen Getränken, von Opium und anderen ähnlichen süchtig machenden Drogen«. Dieses Verbot wird in einigen nachfolgend zitierten Abschnitten aus den Bahá’í-Schriften behandelt:

  1. Das Weintrinken ist den Texten des Heiligsten Buches gemäß verboten, denn es ist die Ursache chronischer Leiden, schwächt die Nerven und zerstört den Verstand... Wahrlich, es wurde jedem Gläubigen, ob Mann oder Frau, verboten.  
  2. Was jedoch die Frage des Opiums betrifft: Es ist abscheulich und verflucht,... Der Text des Kitab-i-Aqdas [Bahá’u’lláhs Buch der Gesetze] verbietet es ausdrücklich und verurteilt es in höchstem Maße. Die Vernunft sieht im Opiumrauchen eine Wahnsinnstat, und die Erfahrung hat gezeigt, dass aus der menschlichen Gesellschaft völlig ausgeschlossen wird, wer sich ihm hingibt. Möge Gott alle vor einer so abscheulichen Tat beschützen, welche die Grundlage des Menschseins zerstört und die Ursache ewiger Verderbnis ist. Opium ergreift Besitz von der Lebenskraft des Menschen, so dass sein Gewissen stirbt, sein Verstand dahinschwindet und sein Wahrnehmungsvermögen abnimmt. Es tötet das Leben und bringt die natürliche Wärme zum Erlöschen. Es gibt keinen größeren Schaden als den, den das Opium zufügt. Wohl denen, die nicht einmal das Wort Opium über die Lippen bringen; wie erbärmlich ist, wer Gebrauch davon macht!
  3. Was Haschisch betrifft ... Dies ist das schlimmste aller Rauschmittel und dessen Verbot ist ausdrücklich offenbart. Sein Gebrauch verursacht den Zerfall des Denkens und die völlige Abstumpfung der Seele. Alkohol zerstört den Verstand und veranlasst den Menschen, sinnwidrige Taten zu begehen. Aber ... dieses verruchte Haschisch erstickt die Vernunft, lässt den Geist erstarren, versteinert die Seele, und lässt den Körper zerfallen und den Menschen enttäuscht und zugrunde gerichtet zurück.
  4. Die Bahá’í sollten keine halluzinogenen Mittel, einschließlich LSD, Mescalin und ähnliche Stoffe gebrauchen, außer wenn sie zur ärztlichen Behandlung verschrieben wurden. Ebenso sollten sie sich nicht in Experimente mit solchen Mitteln einlassen.
  5. Was die sogenannten »geistigen« Wirkungen der Halluzinogene angeht ... Geistige Anregung sollte durch die Hinwendung des Herzens zu Bahá’u’lláh entstehen und nicht durch materielle Mittel wie Drogen und Suchtstoffe...
  6. Halluzinogene Mittel sind eine Art Rauschmittel. Da von den Freunden, einschließlich der Jugend, verlangt wird, sich aller Arten von Rauschmitteln streng zu enthalten, und da außerdem von ihnen erwartet wird, dass sie die bürgerlichen Gesetze ihres Landes gewissenhaft befolgen, ist ganz klar, dass sie den Gebrauch dieser Rauschmittel unterlassen sollten. … Eine sehr große Verantwortung für den künftigen Frieden und das Wohlergehen der Welt wird von der heutigen Jugend getragen.

Heute sind die Bahá’í in über 111.000 Orten in der ganzen Welt dem Gesetz ihres Glaubens verpflichtet, das den Genuss von alkoholischen Getränken, von Opium und anderen süchtig machenden Drogen verbietet. Eine sehr einfache und logische Erklärung für dieses Verbot liegt in der großen Bedeutung, die die Bahá’í-Gemeinden der Entwicklung und dem Schutz des menschlichen Verstandes beimessen. Was immer das menschliche Bewusstsein abstumpft oder die Fähigkeit eines Menschen beeinträchtigt, nicht nur »edle Entschlossenheit« und einen »vortrefflichen Charakter«, sondern auch »den Umfang seines Wissens« und »seine Fähigkeit, schwierige Probleme zu lösen«, zu entwickeln, um dies alles für das edelste menschliche Ziel, den Dienst am Gemeinwohl, einzusetzen — all das ist streng verboten.

Daraus wird ersichtlich, dass die Bahá’í-Gemeinden bereits einen bedeutenden Beitrag zur Arbeit der Vereinten Nationen bei der Verhütung und Bekämpfung von Drogen- und Suchtstoffmissbrauch leisten, weil die Bahá’í sich zur Durchführung der Ideale und Wertmaßstäbe ihres Glaubens in ihrem täglichen Leben selbst verpflichten. Die Bahá’í beteiligen sich auch aktiv an den Drogen-Schulungsprogrammen, wann immer sie Gelegenheit dazu finden. Da sie außerdem glauben, dass Religion und Wissenschaft wie Aspekte einer Wirklichkeit in Einklang stehen müssen, ist es nun möglich, den in den Bahá’í-Schriften wegen des Verbots von Alkohol und Drogen vorhandenen logischen Erläuterungen wissenschaftliche Beweise hinzuzufügen, deren Anzahl und Tiefgründigkeit jährlich zunimmt und den durch den Gebrauch solcher Mittel am menschlichen Körper und dem zufolge am menschlichen Bewusstsein angerichteten Schaden überzeugend darstellt.

Die Verheißung des Weltfriedens

Die Verheißung des Weltfriedens

Eine Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit an die Völker der Welt

1 October 1985

An die Völker der Welt!

Der Große Friede, auf den durch die Jahrhunderte Menschen guten Willens ihre Herzen gerichtet, den unzählige Generationen lang Seher und Dichter in ihren Visionen beschrieben und den die Heiligen Schriften der Menschheit von Zeitalter zu Zeitalter immer wieder verheißen haben, ist jetzt endlich in Reichweite der Nationen. Zum ersten Mal in der Geschichte ist jedermann imstande, in einer Gesamtschau den ganzen Planeten mit seiner Vielzahl verschiedener Völker zu überblicken. Weltfriede ist nicht nur möglich, sondern unausweichlich. Er ist die nächste Stufe in der Evolution dieses Planeten – mit den Worten eines großen Denkers: „die Planetisierung der Menschheit“.

Ob der Friede erst nach unvorstellbaren Schrecken erreichbar ist, heraufbeschworen durch stures Beharren der Menschheit auf veralteten Verhaltensmustern, oder ob er heute durch einen konsultativen Willensakt herbeigeführt wird, das ist die Wahl, vor die alle Erdenbewohner gestellt sind. Zu diesem kritischen Zeitpunkt, da die hartnäckigen Probleme der Völker zur gemeinsamen Sorge aller werden, wäre das Versäumnis, der Flut von Konflikt und Unordnung zu wehren, gewissenlos und unverantwortlich.

Zu den günstigen Zeichen gehören die mit ständig wachsender Kraft auf eine Weltordnung hin unternommenen Schritte: zuerst, zu Beginn des Jahrhunderts, die Schaffung des Völkerbundes, gefolgt von der breiter angelegten Organisation der Vereinten Nationen; die seit dem Zweiten Weltkrieg von der Mehrzahl aller Völker der Erde erlangte Unabhängigkeit, die anzeigt, daß der Prozeß der Bildung von Nationalstaaten abgeschlossen ist; die Einbeziehung dieser jungen Staaten mit den älteren in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse; in der Folge die stark ansteigende Zusammenarbeit zwischen bislang isolierten, zerstrittenen Völkern und Gruppen bei internationalen Unternehmen auf den Gebieten von Wissenschaft, Bildung, Recht, Wirtschaft und Kultur; die Gründung einer beispiellosen Zahl internationaler humanitärer Organisationen während der letzten Jahrzehnte; die Ausbreitung von Frauen- und Jugendbewegungen, welche die Abschaffung des Krieges fordern; und schließlich ein spontanes, immer mehr sich ausdehnendes Netzwerk einfacher Menschen, die durch persönliche Kommunikation Verständigung suchen.

Die wissenschaftlich-technischen Fortschritte unseres ungewöhnlich gesegneten Jahrhunderts deuten auf einen gewaltigen Vorstoß in der gesellschaftlichen Entwicklung des Planeten und zeigen die Mittel auf, mit denen die praktischen Probleme der Menschheit gelöst werden können. Sie bieten in der Tat das Werkzeug zur Ordnung des vielschichtigen Lebens einer vereinten Welt. Doch es bestehen noch Barrieren. Zweifel, Mißverständnisse, Vorurteile, Argwohn und engstirniger Eigennutz blockieren die Beziehungen der Staaten und Völker zueinander.

Aus tiefempfundener geistiger und moralischer Verantwortung sehen wir uns zu dieser günstigen Stunde veranlaßt, Ihre Aufmerksamkeit auf die umfassenden Einsichten zu lenken, die Bahá’u’lláh, der Stifter der Bahá’í-Religion, deren Treuhänder wir sind, erstmals vor über einem Jahrhundert den Herrschern der Menschheit übermittelt hat.

„Die Winde der Verzweiflung“, schrieb Bahá’u’lláh, „wehen aus jeder Richtung, und der Hader, der das Menschengeschlecht spaltet und peinigt, nimmt täglich zu. Die Zeichen drohender Erschütterungen und des Chaos sind heute deutlich zu sehen, zumal die bestehende Ordnung erbärmlich mangelhaft erscheint.“ Die gemeinsame Erfahrung der Menschheit hat dieses prophetische Urteil gründlich bestätigt. Mängel in der bestehenden Ordnung zeigen sich deutlich im Unvermögen der als Vereinte Nationen organisierten souveränen Staaten, das Schreckgespenst des Krieges, den drohenden Zusammenbruch der internationalen Wirtschaftsordnung, die Ausbreitung von Anarchie und Terrorismus sowie das unermeßliche Leid zu bannen, das diese und andere Heimsuchungen Abermillionen Menschen zufügen. Aggression und Konflikt sind tatsächlich in solchem Ausmaß zu Kennzeichen unserer gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und religiösen Systeme geworden, daß viele der Ansicht verfielen, derartiges Verhalten sei ein Wesensmerkmal des Menschen und deshalb unausrottbar.

Mit der Verfestigung dieser Ansicht ergab sich ein lähmender Widerspruch: Einerseits verkünden Menschen aller Völker nicht nur ihre Bereitschaft, sondern ihre Sehnsucht nach Frieden und Eintracht, nach einem Ende der quälenden Furcht, die ihr tägliches Leben peinigt. Andererseits findet die These unkritische Zustimmung, der Mensch sei unverbesserlich selbstsüchtig, aggressiv und deshalb unfähig, eine Gesellschaftsordnung zu errichten, die zugleich fortschrittlich und friedlich, dynamisch und harmonisch ist, eine Ordnung, die der individuellen Kreativität und Initiative freien Lauf läßt, aber auf Zusammenarbeit und Gegenseitigkeit beruht.

Da die Notwendigkeit des Friedens immer dringender wird, verlangt dieser seiner Verwirklichung im Wege stehende, grundlegende Widerspruch eine Überprüfung der Prämissen, auf denen nach allgemeiner Ansicht das historische Dilemma der Menschheit beruht. Bei sachlicher Prüfung erweist es sich, daß jene Haltung keineswegs des Menschen wahres Wesen ausdrückt, sondern ein Zerrbild des menschlichen Geistes darstellt. Hiervon überzeugt, werden alle Menschen in der Lage sein, konstruktive gesellschaftliche Kräfte in Bewegung zu setzen, stehen diese doch im Einklang mit der menschlichen Natur und fördern Eintracht und Zusammenarbeit statt Krieg und Konflikt.

Einen solchen Kurs einschlagen, heißt nicht, die Vergangenheit der Menschheit leugnen, sondern sie verstehen. Die Bahá’í-Religion betrachtet die gegenwärtige Verwirrung in der Welt und den verhängnisvollen Zustand der menschlichen Belange als natürliche Phase in einem unaufhaltsamen organischen Prozeß, hin zur Einigung der Menschheit in einer einzigen Gesellschaftsordnung, deren Grenzen die des Planeten sind. Wie der Mensch als Einzelwesen, hat die Menschheit als Gattung die Entwicklungsstufen des Säuglings und des Kindes durchlaufen, ist nun auf dem Höhepunkt ihrer ungestümen Jugend und nähert sich ihrer lang erwarteten Mündigkeit.

Das offene Eingeständnis, daß Vorurteil, Krieg und Ausbeutung Zeichen der Unreife in einem langen historischen Prozeß waren, und daß die Menschheit gegenwärtig den unvermeidlichen Sturm und Drang ihrer kollektiven Reifung erlebt, ist kein Grund zur Verzweiflung, sondern eine Voraussetzung für das gewaltige Unternehmen, eine friedliche Welt zu bauen. Daß dieses Unternehmen möglich ist, daß die erforderlichen konstruktiven Kräfte wirklich vorhanden sind, daß vereinende Gesellschaftsstrukturen errichtet werden können, ist die Aussage, um deren Prüfung wir Sie eindringlich bitten.

Welches Leid und welchen Aufruhr die nächsten Jahre bringen, wie dunkel die bevorstehenden Ereignisse auch sein mögen, die Bahá’í-Gemeinde glaubt, daß die Menschheit sich dieser höchsten Prüfung mit Zuversicht auf das Endergebnis stellen kann. Statt das Ende der Zivilisation zu signalisieren, werden die Umwälzungen, denen die Menschheit immer schneller zutreibt, vielmehr dazu dienen, „die Möglichkeiten, die der Stufe des Menschen innewohnen“, freizulegen und „das volle Maß seiner Bestimmung auf Erden, den angeborenen Vorzug seiner Wirklichkeit“ zu offenbaren.

I.

Die Gaben, die den Menschen von allen anderen Lebensformen unterscheiden, lassen sich im Begriff des menschlichen Geistes zusammenfassen; der Verstand ist seine wesentliche Eigenschaft. Diese Gaben haben es der Menschheit ermöglicht, Kultur zu schaffen und materiell zu gedeihen. Aber solche Errungenschaften allein haben den menschlichen Geist niemals befriedigt, ist er doch von seiner geheimnisvollen Natur her auf Transzendenz gerichtet, nach einem unsichtbaren Reich ausgreifend, nach der letzten Wahrheit, dem unerkennbaren Wesen allen Wesens, Gott genannt. Die der Menschheit durch eine Aufeinanderfolge geistiger Leuchten gebrachten Religionen bildeten die Hauptverbindung zwischen der Menschheit und jener letzten Wirklichkeit. Sie haben die Fähigkeit der Menschheit, geistigen Erfolg wie auch gesellschaftlichen Fortschritt zu erzielen, geweckt und verfeinert.

Kein ernst zu nehmender Versuch zur Regelung menschlicher Belange, zur Schaffung des Weltfriedens, kann die Religion außer acht lassen. Des Menschen Erkenntnis und Ausübung der Religion bilden größtenteils den Stoff der Geschichte. Ein bedeutender Historiker hat die Religion als eine „Fähigkeit der menschlichen Natur“ beschrieben. Daß die Perversion dieser Fähigkeit beträchtlich zu der Verwirrung in der Gesellschaft und den Konflikten in und zwischen den Menschen beigetragen hat, kann kaum geleugnet werden. Aber ein objektiver Betrachter kann auch den entscheidenden Einfluß der Religion auf die lebendigen Ausdrucksformen der Kultur nicht unberücksichtigt lassen. Zudem hat ihr unmittelbarer Einfluß auf Recht und Sitte immer wieder ihre Unentbehrlichkeit für die gesellschaftliche Ordnung erwiesen.

Über die Religion als gesellschaftsbildende Kraft sagt Bahá’u’lláh: „Religion ist das wichtigste Mittel zur Begründung von Ordnung in der Welt und zur Befriedung aller, die darin wohnen.“ In Bezug auf den Niedergang, die Entartung der Religion schrieb er: „Würde die Lampe der Religion verdunkelt, so wären Chaos und Verwirrung die Folge, und die Lichter der Redlichkeit und Gerechtigkeit, der Ruhe und des Friedens würden nicht länger scheinen.“ In einer Aufzählung solcher Konsequenzen weisen die Bahá’í-Schriften darauf hin, daß „die Verderbnis der menschlichen Natur, die Erniedrigung des menschlichen Verhaltens, die Entartung und Auflösung menschlicher Institutionen sich unter solchen Umständen in ihren schlimmsten und abstoßendsten Bildern offenbaren. Der menschliche Charakter wird entwürdigt, jedes Vertrauen wird erschüttert, die Nervenstränge der Disziplin und Ordnung erschlaffen, die Stimme des menschlichen Gewissens wird zum Schweigen gebracht, der Sinn für Scham und Anstand wird verdunkelt, die Vorstellungen von Pflicht, Zusammenhalt, Gegenseitigkeit und Treue werden verdreht, selbst das Empfinden für Friedfertigkeit, Freude und Hoffnung wird nach und nach ausgelöscht.“

Wenn darum die Menschheit ein Stadium lähmenden Konflikts erreicht hat, muß sie die Quelle für die Uneinigkeit und die Verwirrung, die im Namen der Religion verursacht wurde, bei sich selbst suchen, bei ihrer eigenen Gleichgültigkeit, bei den Sirenenstimmen, denen sie lauschte. Wer blind und selbstsüchtig an der eigenen Orthodoxie festhält, wer seinen Anhängern falsche, widersprüchliche Auslegungen der Worte der Propheten Gottes auferlegt, trägt schwere Verantwortung für diese Verwirrung – eine Verwirrung durch die künstlichen Schranken zwischen Glauben und Vernunft, Wissenschaft und Religion; denn prüft man unvoreingenommen die tatsächlichen Worte der großen Religionsstifter und das gesellschaftliche Umfeld, in dem diese ihre Mission zu erfüllen hatten, so findet man nichts, was den Streit und die Vorurteile, welche die Religionsgemeinschaften der Menschheit und damit alle Belange der Menschen zerrütten, begründen könnte.

Die Lehre, daß wir andere so behandeln sollen, wie wir selbst behandelt werden wollen, eine in allen großen Religionen auf mannigfache Weise wiederholte Ethik, verleiht dieser Beobachtung in zweierlei Hinsicht Nachdruck: Sie faßt die ethische Grundhaltung zusammen, den friedenswirkenden Aspekt, der sich durch diese Religionen hindurchzieht, ungeachtet des Ortes und der Zeit ihrer Entstehung; sie kennzeichnet außerdem den Aspekt der Einheit als wesenhafte Eigenschaft der Religion, eine Eigenschaft, welche die Menschheit in ihrem zusammenhanglosen Geschichtsbild zu würdigen versäumt hat.

Hätte die Menschheit die Erzieher ihrer kollektiven Kindheit in ihrem wahren Wesen gesehen, nämlich als die Triebkraft im Gesamtprozeß ihrer Kultivierung, dann hätte sie ohne Zweifel unermeßlich größeren Nutzen aus der kumulativen Wirkung ihrer aufeinanderfolgenden Missionen gezogen. Leider hat die Menschheit dies versäumt.

Das Wiederaufleben fanatischer religiöser Leidenschaft in vielen Ländern kann nur als Todeszucken betrachtet werden. Allein die damit verbundenen Ausbrüche von Gewalt und Zerstörung zeugen von deren geistigem Bankrott. Tatsächlich ist eines der seltsamsten, betrüblichsten Merkmale des gegenwärtigen Ausbruchs von religiösem Fanatismus das Ausmaß, in welchem er jedes Mal nicht nur die geistigen Werte untergräbt, welche die Einheit der Menschheit fördern, sondern auch die einzigartigen moralischen Siege derjenigen Religion, der zu dienen er vorgibt.

Welch vitale Kraft die Religion in der Geschichte der Menschheit auch war, wie dramatisch das gegenwärtige Wiederaufleben des militanten religiösen Fanatismus auch sein mag, Religion und religiöse Institutionen werden seit vielen Jahrzehnten von immer weiteren Kreisen der Bevölkerung als irrelevant für die wesentlichen Fragen der modernen Welt angesehen. Statt dessen geben sich die Menschen entweder dem hedonistischen Ziel materieller Befriedigung hin oder folgen von Menschen geschaffenen Ideologien, welche die Gesellschaft von den offensichtlichen Übeln, unter denen sie stöhnt, befreien sollen. Anstatt die Einheit der Menschheit als Grundkonzept zu erfassen und die Eintracht unter den Völkern zu mehren, neigen leider allzu viele dieser Ideologien dazu, den Staat zu vergöttern, die übrige Menschheit jeweils einer Nation, Rasse oder Klasse unterzuordnen, Diskussion und Gedankenaustausch zu unterdrücken oder Millionen Hungernder gleichgültig Marktmechanismen preiszugeben, die die wirtschaftliche Misere des größeren Teils der Menschheit ganz offensichtlich verschlimmern, während sie kleinen Teilen der Bevölkerung ein Leben in einem von unseren Vorfahren kaum erträumten Überfluß ermöglichen.

Wie erschütternd ist doch der Leistungsnachweis der von den Weltklugen unseres Zeitalters geschaffenen Ersatzreligionen! In der gründlichen Desillusionierung ganzer Bevölkerungen, die zum Kult an ihren Altären unterwiesen waren, läßt sich das unwiderrufliche Werturteil der Geschichte über sie ablesen. Nach Jahrzehnten einer immer schrankenloseren Machtausübung derer, die ihren gesellschaftlichen Aufstieg diesen Doktrinen verdanken, sind deren Früchte die sozialen und wirtschaftlichen Leiden, mit denen in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts alle Regionen unserer Welt geschlagen sind. Die Wurzel all dieser äußerlichen Bedrängnisse ist der geistige Schaden aus der Apathie, die in allen Staaten die Masse der Bevölkerung ergriffen hat, das Erlöschen der Hoffnung in den Herzen beraubter, angsterfüllter Millionen.

Die Zeit ist gekommen, daß die Dogmenprediger des Materialismus – im Osten wie im Westen, im Kapitalismus wie im Sozialismus – Rechenschaft ablegen müssen über die moralische Führung, die auszuüben sie sich anmaßen. Wo ist die von diesen Ideologien verheißene „neue Welt“? Wo ist der internationale Friede, für dessen Ideale sie ihre Ergebenheit bekunden? Wo sind die durch die Verherrlichung dieser Rasse, jener Nation oder einer bestimmten Klasse erzielten Durchbrüche in neue Bereiche der Kulturleistung? Warum versinkt in unserer Welt der Großteil der Völker immer tiefer in Hunger und Elend, wenn den heutigen Sachwaltern der Gesellschaft Reichtum in einem Maße zur Verfügung steht, von dem die Pharaonen, die Caesaren oder selbst die imperialistischen Mächte des 19. Jahrhunderts nicht hätten träumen können?

Ganz besonders in der Glorifizierung des Trachtens nach materiellen Dingen, zugleich Ursprung und gemeinsames Merkmal aller dieser Ideologien, finden sich die Wurzeln der falschen These, der Mensch sei unverbesserlich selbstsüchtig und aggressiv. Hier muß man ansetzen, um einer für unsere Nachkommen tauglichen neuen Welt den Boden zu bereiten.

Die Erfahrung, daß die Ideale des Materialismus die Bedürfnisse der Menschheit nicht zu befriedigen vermochten, fordert das ehrliche Eingeständnis, daß eine neue Anstrengung unternommen werden muß, Lösungen für die Probleme des Überlebens auf diesem Planeten zu finden. Die sich in der Gesellschaft ausbreitenden unerträglichen Verhältnisse zeugen von allgemeinem Versagen, ein Umstand, der die Gräben auf jeder Seite eher vertieft als überbrückt. Offensichtlich ist ein gemeinsames Bemühen um Heilung dringend erforderlich. Es ist vor allem eine Sache der Einstellung. Wird die Menschheit in ihrem Eigensinn verharren, sich weiterhin an verbrauchte Konzepte und untaugliche Prämissen klammern? Oder werden ihre Führer, ungeachtet ihrer Ideologie, vortreten und entschlossenen Willens miteinander in gemeinsamer Suche nach sachdienlichen Lösungen beraten?

Wem die Zukunft des Menschengeschlechts am Herzen liegt, der sollte über diesen Rat gründlich nachdenken: „Wenn lang gehegte Ideale, wenn altehrwürdige Institutionen, wenn gesellschaftliche Postulate und religiöse Glaubensbekenntnisse das Wohl der Gesamtheit aller Menschen nicht mehr fördern, wenn sie den Bedürfnissen einer sich ständig entwickelnden Menschheit nicht länger gerecht werden, dann fegt sie hinweg und verbannt sie in die Rumpelkammer überholter, vergessener Doktrinen! Warum sollten sie in einer Welt, die dem unabänderlichen Gesetz des Wandels und des Verfalls unterliegt, von der Entartung verschont bleiben, die alle menschlichen Einrichtungen zwangsläufig ereilt? Rechtsnormen, politische und wirtschaftliche Theorien sind nur dazu da, die Interessen der Menschheit als Ganzes zu schützen; nicht aber ist die Menschheit dazu da, für die unversehrte Aufrechterhaltung eines bestimmten Gesetzes oder Lehrsatzes gekreuzigt zu werden.“

II.

Die Abschaffung der Atomwaffen, das Verbot der Verwendung von Giftgas oder die Ächtung der bakteriellen Kriegsführung werden die eigentlichen Kriegsursachen nicht beseitigen. Wie wichtig solche praktischen Maßnahmen als Elemente des Friedensprozesses offensichtlich auch sind, sie sind zu oberflächlich, um einen dauerhaften Einfluß auszuüben. Die Völker sind erfinderisch genug, um noch ganz andere Formen der Kriegsführung zu ersinnen und in ihrem endlosen Streben nach Vormacht und Herrschaft Nahrungsmittel, Rohstoffe, Finanzen, industrielle Macht, Ideologie und Terrorismus als Instrumente zu ihrer gegenseitigen Vernichtung einzusetzen. Auch läßt sich die gegenwärtige völlige Zerrüttung in den Angelegenheiten der Menschheit nicht durch die Beilegung bestimmter Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen Staaten kurieren. Ein wirklich allumfassender Rahmen muß akzeptiert werden.

Den Staatslenkern mangelt es gewiß nicht an der Erkenntnis, daß es sich hier um eine Angelegenheit von weltweiter Bedeutung handelt, was angesichts der sich häufenden Probleme, denen sie sich täglich gegenübersehen, keines weiteren Beweises bedarf. Auch gibt es in zunehmendem Maße Studien und Lösungsvorschläge von interessierten, aufgeklärten Gruppen wie auch von Organen der Vereinten Nationen, so daß niemand über die dringenden Erfordernisse in Unkenntnis sein kann. Es besteht jedoch eine Willenslähmung, und gerade diese bedarf sorgfältiger Untersuchungen und entschlossener Behandlung. Wie festgestellt, hat diese Lähmung ihren Grund in der tief verwurzelten Überzeugung von der unausrottbaren Streitsucht des Menschen; diese Überzeugung macht abgeneigt, die Möglichkeit, nationales Eigeninteresse den Erfordernissen einer Weltordnung unterzuordnen, auch nur in Erwägung zu ziehen, geschweige denn, sich den weitreichenden Implikationen einer vereinten Weltautorität mutig zu stellen. Die Willenslähmung läßt sich auch zurückführen auf die Unfähigkeit größtenteils unwissender, unterdrückter Massen, ihre Sehnsucht nach einer neuen Ordnung, in der sie mit der ganzen Menschheit in Frieden, Eintracht und Wohlstand leben können, deutlich zum Ausdruck zu bringen.

Die zaghaften Schritte auf eine Weltordnung hin – vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg – setzen hoffnungsvolle Zeichen. Die steigende Tendenz einzelner Staatengruppen, ihren Beziehungen feste Formen zu geben, was ihnen dann die Zusammenarbeit in Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse ermöglicht, deutet darauf hin, daß schließlich alle Nationen diese Lähmung überwinden können. Der Verband Südostasiatischer Staaten, die Karibische Gemeinschaft und ihr Gemeinsamer Markt, der Zentralamerikanische Gemeinsame Markt, der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, die Europäischen Gemeinschaften, die Arabische Liga, die Organisation für Afrikanische Einheit, die Organisation der Amerikanischen Staaten, das Südpazifische Forum – alle durch solche Organisationen erbrachten vereinten Bemühungen bereiten den Weg zur Weltordnung.

Die wachsende Aufmerksamkeit für gewisse grundlegende Probleme des Planeten ist ein weiteres hoffnungsvolles Zeichen. Trotz der offensichtlichen Unzulänglichkeit der Vereinten Nationen geben die über vierzig durch diese Organisation verabschiedeten Erklärungen und Abkommen, selbst wo Regierungen in ihrem Engagement nicht sehr enthusiastisch waren, einfachen Menschen das Gefühl eines neuen Aufschwungs. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, das Abkommen zur Verhinderung und Bestrafung von Völkermord und ähnliche Maßnahmen zur Beseitigung aller durch Rasse, Geschlecht oder Religion begründeten Formen von Diskriminierung, die Wahrung der Rechte des Kindes, der allgemeine Schutz vor Folter, die Ausrottung von Hunger und Unterernährung, der Einsatz des wissenschaftlich-technischen Fortschritts im Interesse des Friedens und zum Nutzen der Menschheit – alle derartigen Maßnahmen bringen, wenn sie mutig unterstützt und ausgedehnt werden, den Tag näher, da das Schreckgespenst des Krieges seine beherrschende Kraft in den internationalen Beziehungen verloren haben wird. Es erübrigt sich, die Bedeutung der durch diese Erklärungen und Abkommen behandelten Themen zu betonen. Indes verdienen einige dieser Themen wegen ihrer unmittelbaren Wichtigkeit für die Errichtung des Weltfriedens eine zusätzliche Erläuterung.

Der Rassismus ist eines der verhängnisvollsten, hartnäckigsten Übel, ein Haupthindernis für den Frieden. Wo er herrscht, wird die Menschenwürde zu schändlich verletzt, als daß er unter irgendeinem Vorwand gebilligt werden könnte. Der Rassismus hemmt die Entfaltung der unbegrenzten Möglichkeiten seiner Opfer, korrumpiert die Täter und vereitelt den menschlichen Fortschritt. Die Einheit der Menschheit, vollzogen durch geeignete rechtliche Maßnahmen, muß allgemein gültig anerkannt werden, wenn dieses Problem überwunden werden soll.

Der krasse Unterschied zwischen arm und reich, eine Quelle heftigsten Leides, hält die Welt in einem Zustand der Instabilität am Rande des Krieges. Nur wenige Gesellschaften haben diese Situation erfolgreich gemeistert. Die Lösung erfordert die kombinierte Anwendung geistiger, moralischer und praktischer Mittel. Das Problem muß in neuem Licht betrachtet werden; es bedarf der Beratung durch Experten aus einem breiten Spektrum von Fachbereichen, frei von wirtschaftlicher und ideologischer Polemik, unter Einbezug der von den dringend zu fällenden Entscheidungen direkt Betroffenen. Es handelt sich nicht nur um die notwendige Beseitigung der Extreme von Reichtum und Armut; diese Frage steht vielmehr in untrennbarem Zusammenhang mit jenen geistigen Wahrheiten, deren Verständnis eine neue, aufs Ganze bezogene Haltung hervorbringen kann. Eine solche Haltung zu fördern, ist in sich schon ein wesentlicher Teil der Lösung.

Ein ungezügelter Nationalismus – im Unterschied zu einem gesunden, legitimen Patriotismus – muß einer umfassenderen Loyalität Platz machen: der Liebe zur Menschheit als Ganzem. Bahá’u’lláhs Erklärung lautet: „Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bürger.“ Der Gedanke der Weltbürgerschaft ist das unmittelbare Ergebnis davon, daß die Welt durch den wissenschaftlichen Fortschritt und die unbestreitbare wechselseitige Abhängigkeit der Staaten auf eine einzige Nachbarschaft geschrumpft ist. Die Liebe zu allen Völkern der Welt schließt die Liebe zum eigenen Land nicht aus. In der Weltgesellschaft wird der Nutzen eines Teils am besten dadurch gewahrt, daß der Nutzen des Ganzen gefördert wird. Die heutigen internationalen Aktivitäten auf verschiedenen Gebieten, welche die gegenseitige Zuneigung und den Sinn für Solidarität unter den Völkern pflegen, müssen erheblich verstärkt werden.

Religiöser Streit war im Laufe der Geschichte der Grund für unzählige Konflikte und Kriege, ein Pesthauch für den Fortschritt; er wird den Menschen immer mehr zuwider, ob sie einer Religion angehören oder nicht. Die Anhänger aller Religionen müssen bereit sein, sich den Grundfragen zu stellen, die dieser Streit aufgeworfen hat, und zu klaren Antworten zu gelangen. Wie lassen sich die Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen in Theorie und Praxis beilegen? Die religiösen Führer der Menschheit sind herausgefordert, mit Herzen voll Mitgefühl und Sehnsucht nach Wahrheit über das Elend der Menschheit nachzudenken und sich zu fragen, ob sie nicht in Demut vor ihrem allmächtigen Schöpfer ihre theologischen Differenzen im großmütigen Geist gegenseitiger Nachsicht, der ihnen die Zusammenarbeit für Verständigung und Frieden zwischen den Menschen ermöglicht, hintanstellen können.

Die Emanzipation der Frau, die volle Gleichberechtigung der Geschlechter, ist eine der wichtigsten, wenngleich kaum anerkannten, Voraussetzungen des Friedens. Die Verweigerung der Gleichberechtigung bedeutet ein Unrecht gegenüber der Hälfte der Weltbevölkerung und leistet bei den Männern Vorschub für schädliche Einstellungen und Gewohnheiten, die aus der Familie an den Arbeitsplatz, ins politische Leben und letztlich in die internationalen Beziehungen hineingetragen werden. Es gibt keine moralischen, praktischen oder biologischen Gründe, die eine solche Verweigerung rechtfertigten. Erst wenn die Frau in allen Bereichen menschlichen Strebens zu voller Partnerschaft willkommen geheißen wird, entsteht das moralisch- psychologische Klima, in dem sich der internationale Frieden entwickeln kann.

Die universale Erziehung, die bereits eine Armee engagierter Mitarbeiter aus allen Religionen und Nationen für sich gewonnen hat, verdient nachdrückliche Unterstützung durch die Regierungen der Welt. Unwissenheit ist unbestreitbar der Hauptgrund für den Abstieg und Untergang der Völker und für das Fortbestehen von Vorurteilen. Kein Staat kann Erfolg haben, wenn nicht allen seinen Bürgern Bildung vermittelt wird. Der Mangel an Mitteln beschneidet die Fähigkeit vieler Staaten, dieser Notwendigkeit zu entsprechen, und zwingt sie, Prioritäten zu setzen. Die zuständigen Entscheidungsgremien täten gut daran, der Bildung von Frauen und Mädchen höchste Priorität einzuräumen, denn durch gebildete Mütter kann der Nutzen des Wissens am wirksamsten und schnellsten die Gesellschaft durchdringen. Im Einklang mit den Erfordernissen der Zeit sollte in Betracht gezogen werden, den Gedanken der Weltbürgerschaft jedem Kind als Teil seiner Grundausbildung zu vermitteln.

Ein grundlegender Kommunikationsmangel zwischen den Völkern schwächt empfindlich die Bemühungen um den Weltfrieden. Die Annahme einer internationalen Hilfssprache würde zur Lösung dieses Problems einen großen Beitrag leisten und erfordert dringlichste Beachtung.

Zwei Kernpunkte sollten bei allen diesen Problemkreisen betont werden. Zum einen ist die Abschaffung des Krieges nicht einfach eine Sache der Unterzeichnung von Verträgen und Protokollen. Es ist vielmehr eine vielschichtige Aufgabe, die auf neuer Ebene den Einsatz erfordert, Probleme zu lösen, die üblicherweise nicht mit dem Streben nach Frieden in Verbindung gebracht werden. Die Vorstellung kollektiver Sicherheit bleibt eine Chimäre, wenn sie allein auf politischen Abmachungen beruht. Zum anderen besteht die Herausforderung bei der Behandlung der Friedensfrage hauptsächlich darin, daß die Zusammenhänge vom reinen Pragmatismus auf die Ebene der Prinzipien gehoben werden; denn der Frieden erwächst dem Wesen nach aus einem inneren Zustand, getragen von einer geistigen oder ethischen Einstellung, und es geht vor allem darum, diese Einstellung wachzurufen, damit sich die Möglichkeit zu dauerhaften Lösungen findet.

Es gibt geistige Prinzipien – oder, wie manche sie nennen, menschliche Werte –, mit denen sich für jedes gesellschaftliche Problem Lösungen finden lassen. Jede Gruppe mit guten Absichten kann sich im allgemeinen praktische Lösungen für ihre Probleme ausdenken, aber gute Absichten und praktisches Können allein reichen normalerweise nicht aus. Geistige Prinzipien haben den wesentlichen Vorzug, daß sie nicht nur eine Sichtweise eröffnen, die mit dem Wesen des Menschen in Einklang steht, sondern auch eine Haltung vermitteln, eine treibende Kraft, ein Wollen, ein Sehnen, die es erleichtern, praktische Maßnahmen zu finden und in die Wege zu leiten. Staatslenker und alle mit Amtsgewalt Ausgestatteten wären gut beraten, wenn sie in ihren Bemühungen um die Lösung der Probleme die einschlägigen Prinzipien festzustellen suchten und sich dann von diesen leiten ließen.

III.

Die Hauptfrage, die es zu lösen gilt, lautet, wie die heutige Welt mit ihren tiefsitzenden Konfliktstrukturen in eine Welt verwandelt werden kann, in der Eintracht und Zusammenarbeit vorherrschen.

Die Weltordnung läßt sich nur auf das unerschütterliche Bewußtsein von der Einheit der Menschheit gründen, eine geistige Wahrheit, die alle Humanwissenschaften bestätigen. Anthropologie, Physiologie und Psychologie kennen nur eine Gattung Mensch, wenngleich unendlich mannigfaltig in den sekundären Aspekten des Lebens. Wer diese Wahrheit anerkennt, muß vorurteilsfrei werden. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden: Vorurteile der Rasse, Klasse, Hautfarbe, Religion, Nation, des Geschlechts, des Lebensstandards, alles, was Menschen ermöglicht, sich anderen überlegen zu dünken.

Die Anerkennung der Einheit der Menschheit ist die erste, grundlegende Voraussetzung für die Neuordnung und rechtliche Gestaltung der Welt als ein Land, als die Heimat der Menschheit. Die weltweite Annahme dieses geistigen Grundsatzes ist wesentlich für jeden tauglichen Versuch, den Weltfrieden zu errichten. Der Grundsatz muß daher weltweit verkündet, in den Schulen gelehrt und in jedem Land beharrlich zur Geltung gebracht werden, als Vorbereitung auf den durch ihn bedingten organischen Wandel der Gesellschaftsstruktur.

Nach Auffassung der Bahá’í erfordert die Anerkennung der Einheit der Menschheit „nichts Geringeres als die Neuordnung und Entmilitarisierung der gesamten zivilisierten Welt – einer Welt, die in allen Grundfragen des Lebens, in ihrem politischen Mechanismus, ihren geistigen Bestrebungen, in Handel und Finanzwesen, Schrift und Sprache organisch zusammengewachsen und doch in den nationalen Eigenarten ihrer verbündeten Staatenglieder von einer unendlichen Mannigfaltigkeit ist.“

In seinen Erläuterungen über den Sinn dieses zentralen Prinzips hat Shoghi Effendi, der Hüter der Bahá’í-Religion, 1931 ausgeführt: „Weit davon entfernt, auf den Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung abzuzielen, sucht es ihre Grundlage zu erweitern, ihre Institutionen auf eine Weise umzugestalten, die mit den Bedürfnissen einer stets sich wandelnden Welt in Einklang steht. Es kann mit keiner rechtmäßigen Untertanenpflicht in Widerspruch sein, noch kann es wirkliche Treue untergraben. Seine Absicht ist weder, die Flamme einer vernünftigen Vaterlandsliebe in den Herzen der Menschen zu ersticken, noch den Grundsatz nationaler Selbständigkeit abzuschaffen, der so wesentlich ist, wenn die Übel übertriebener Zentralisation vermieden werden sollen. Es übersieht weder die Vielfalt der völkischen Herkunft, des Klimas, der Geschichte, Sprache und Überlieferung, des Denkens und der Gewohnheit, die die Völker und Nationen der Welt unterschiedlich gestalten, noch versucht es, sie auszumerzen. Es ruft nach größerer Treue, stärkerem Bemühen als irgendein anderes, das je die Menschenwelt beseelt hat. Es besteht auf der Unterordnung nationaler Regungen und Belange unter die zwingenden Ansprüche einer geeinten Welt. Es verwirft einerseits die übersteigerte Zentralisation und entsagt zum anderen allen Versuchen der Gleichmacherei. Seine Losung ist Einheit in der Mannigfaltigkeit…“

Diese Ziele erfordern eine stufenweise Anpassung in den Bestrebungen nationaler Politik, die jetzt in Ermangelung klar definierter Gesetze oder allgemein anerkannter, durchsetzbarer Prinzipien zur Regelung der Beziehungen zwischen den Völkern die Züge der Anarchie tragen. Der Völkerbund, die Vereinten Nationen und die vielen durch sie geschaffenen Organisationen und Abkommen haben zweifellos geholfen, einige negative Auswirkungen internationaler Konflikte abzumildern; sie haben sich jedoch als untauglich erwiesen, den Krieg zu verhüten. Bekanntlich gab es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine große Zahl von Kriegen; viele toben noch heute.

Die wesentlichen Aspekte dieses Problems waren bereits im 19. Jahrhundert erkennbar, als Bahá’u’lláh erstmals seine Vorschläge für die Errichtung des Weltfriedens vortrug. In seinen Botschaften an die Herrscher der Welt hat er das Prinzip der kollektiven Sicherheit dargelegt. Shoghi Effendi stellt dazu fest: „Was können diese schwerwiegenden Worte anderes bedeuten als den Hinweis, daß die Einschränkung der vollen nationalen Souveränität als unerläßlicher erster Schritt zur Bildung des künftigen Gemeinwesens aller Nationen der Erde unumgänglich geworden ist? Ein Welt-Überstaat, an den alle Nationen der Erde willig den Anspruch, Krieg zu führen, gewisse Rechte der Steuererhebung und alle Rechte auf Kriegsrüstung außer zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in ihren Gebieten abtreten – ein solcher Staat muß notwendigerweise in irgendeiner Form entwickelt werden. Sein Organisationsrahmen wird eine internationale Exekutive einschließen müssen, die jedem widerspenstigen Mitglied der Gemeinschaft ihre höchste, unantastbare Autorität aufzwingen kann; ein Weltparlament, dessen Mitglieder durch das Volk aller Länder gewählt und in ihrer Amtsübernahme von den jeweiligen Regierungen bestätigt werden, sowie einen Obersten Gerichtshof, dessen Urteil bindende Gültigkeit haben wird, selbst in Fällen, in denen die Parteien ihren Streit nicht freiwillig seiner Rechtsfindung unterwerfen.

Eine Weltgemeinschaft, in der alle wirtschaftlichen Schranken für immer niedergerissen werden, in der die gegenseitige Abhängigkeit von Kapital und Arbeit ausdrücklich anerkannt wird, in der das Geschrei religiösen Eifers und Streites endgültig verstummt ist, in der die Flamme des Rassenhasses ein für allemal gelöscht ist, deren einheitliches System internationalen Rechts als Ergebnis der wohlüberlegten Entscheidung der weltweit vereinigten Volksvertreter durch das sofortige, zwingende Eingreifen der vereinten Streitkräfte der Verbündeten sanktioniert wird; und schließlich: eine Weltgemeinschaft, in der der Sturm eines tollkühn-militanten Nationalismus in ein dauerhaftes Bewußtsein des Weltbürgertums verwandelt ist – so wahrlich sieht, in groben Zügen gezeichnet, die von Bahá’u’lláh vorausgeschaute Ordnung aus, eine Ordnung, die einmal als die edelste Frucht eines langsam heranreifenden Zeitalters betrachtet werden wird.“

Die Durchführung dieser weitreichenden Maßnahmen hat Bahá’u’lláh angekündigt: „Die Zeit muß kommen, da die gebieterische Notwendigkeit für die Abhaltung einer ausgedehnten, allumfassenden Versammlung der Menschen weltweit erkannt wird. Die Herrscher und Könige der Erde müssen ihr unbedingt beiwohnen, an ihren Beratungen teilnehmen und solche Mittel und Wege erörtern, die den Grund zum Größten Weltfrieden unter den Menschen legen.“

Der Mut, die Entschlossenheit, das lautere Motiv, die selbstlose Liebe eines Volkes für das andere – all die geistigen und ethischen Werte, die für diesen gewaltigen Schritt zum Frieden erforderlich sind, treffen zusammen im Willen zur Tat. Um diesen notwendigen Willensakt hervorzurufen, muß der Wirklichkeit des Menschen, nämlich seinem Denken, ernsthafte Beachtung geschenkt werden. Will man die Bedeutung dieser machtvollen Wirklichkeit verstehen, so muß man begreifen, daß es gesellschaftlich notwendig ist, den einzigartigen Wert des Denkens in offene, leidenschaftslose und aufrichtige Beratung umzusetzen und den Ergebnissen dieses Prozesses gemäß zu handeln. Bahá’u’lláh wies nachdrücklich auf den hohen Wert und die Unerläßlichkeit der Beratung bei der Gestaltung der menschlichen Beziehungen hin. Er erklärte: „Beratung verleiht tiefere Kenntnis und verwandelt Vermutung in Gewißheit. Sie ist ein strahlendes Licht, welches in einer dunklen Welt den Weg weist und Führung gibt. Für alles gibt es und wird es immer eine Stufe der Vollendung und Reife geben. Die Gabe der Einsicht zeigt ihre Reife in der Beratung.“

Gerade der Versuch, den Frieden durch die von Bahá’u’lláh vorgeschlagenen Beratungsprozesse zu erreichen, vermag einen derart heilsamen Geist unter den Völkern der Erde freizusetzen, daß keine Macht dem letztendlichen Triumph widerstehen könnte.

Zum Verfahren jener Weltversammlung hat ‘Abdu’l-Bahá, Bahá’u’lláhs Sohn und bevollmächtigter Interpret seiner Lehren, folgende Einsichten dargelegt: „Sie müssen die Friedensfrage zum Gegenstand gemeinsamer Beratung machen und mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln versuchen, einen Weltbundesstaat zu schaffen. Sie müssen einen verbindlichen Vertrag schließen, einen Bund gründen, dessen Verfügungen eindeutig, unverletzlich und bestimmt sind. Sie müssen ihn der ganzen Welt bekannt geben und die Bestätigung der gesamten Menschheit dafür erlangen. Dieses erhabene, edle Unterfangen – der wahre Quell des Friedens und Wohlergehens für alle Welt – sollte allen, die auf Erden wohnen, heilig sein. Alle Kräfte der Menschheit müssen freigemacht werden, um die Dauer und den Bestand dieses größten aller Bündnisse zu sichern. In diesem allumfassenden Vertrag sollten die Grenzen jedes einzelnen Landes deutlich festgelegt, die Grundsätze für die Beziehungen der Regierungen untereinander klar verzeichnet und alle internationalen Vereinbarungen und Verpflichtungen bekräftigt werden. In gleicher Weise sollte der Umfang der Rüstungen für jede Regierung genauestens umgrenzt werden, denn wenn die Zunahme der Kriegsvorbereitungen und Truppenstärken in einem Land gestattet würde, so würde dadurch das Mißtrauen anderer geweckt werden. Die Hauptgrundlage dieses feierlichen Vertrages sollte so festgelegt werden, daß bei späterer Verletzung einer Bestimmung durch eine Regierung sich alle Regierungen der Erde erheben, um jene wieder zu voller Unterwerfung unter den Vertrag zu bringen, nein, die gesamte Menschheit sollte sich entschließen, mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln jene Regierung zu stürzen. Wird dieses größte aller Heilmittel auf den kranken Weltkörper angewandt, so wird er sich gewiß wieder von seinen Leiden erholen und dauernd bewahrt und heil bleiben.“

Diese machtvolle Versammlung ist längst überfällig.

Von ganzem Herzen appellieren wir an die Staatsmänner, diese günstige Stunde zu nutzen und unwiderrufliche Schritte zur Einberufung dieser Weltversammlung zu unternehmen. Alle Kräfte der Geschichte drängen die Menschheit zu dieser Tat, die für alle Zeiten den Anbruch ihrer langerwarteten Reife kennzeichnen wird.

Wollen sich nicht die Vereinten Nationen mit voller Unterstützung ihrer Mitgliedstaaten zu den hohen Zielen eines derart glorreichen Ereignisses erheben?

Mögen Männer und Frauen, Jugend und Kinder allenthalben den ewigen Wert dieser zwingend notwendigen Tat für alle Völker erkennen und ihre Stimme in williger Zustimmung erheben. Möge es die heutige Generation sein, die diesen ruhmreichen Abschnitt in der Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens auf dem Planeten eröffnet.

IV.

Die Quelle unseres Optimismus ist eine Vision, die über die Abschaffung des Krieges und das Schaffen von Behörden internationaler Zusammenarbeit weit hinausgeht. Dauerhafter Frieden unter den Völkern ist ein wesentliches Stadium, aber, wie Bahá’u’lláh erklärt, nicht das letztliche Ziel der gesellschaftlichen Entwicklung der Menschheit. Jenseits des anfänglichen, der Menschheit durch die Angst vor dem atomaren Inferno aufgezwungenen Waffenstillstands, jenseits des politischen Friedens, den mißtrauisch rivalisierende Staaten widerwillig eingehen, jenseits der pragmatischen Vereinbarungen über Sicherheit und Koexistenz, selbst jenseits der zahlreichen Versuche der Zusammenarbeit, die diese Schritte ermöglichen werden, steht als krönender Abschluß: die Vereinigung aller Völker dieser Welt in einer universalen Familie.

Uneinigkeit ist eine Gefahr, welche die Staaten und Völker auf Erden nicht länger ertragen können; die Folgen sind zu entsetzlich, als daß sich darüber nachdenken ließe, zu offensichtlich, als daß sie einer Darlegung bedürften. „Das Wohlergehen der Menschheit, ihr Friede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, wenn und ehe nicht ihre Einheit fest begründet ist“, schrieb Bahá’u’lláh vor über einem Jahrhundert. „Das ganze Menschengeschlecht stöhnt und schmachtet danach, zur Einheit geführt zu werden und sein lange Zeitalter währendes Martyrium zu beenden“, stellt Shoghi Effendi fest und führt dazu aus: „Die Vereinigung der ganzen Menschheit ist das Kennzeichen der Stufe, der sich die menschliche Gesellschaft heute nähert. Die Einheit der Familie, des Stammes, des Stadtstaates und der Nation ist nacheinander in Angriff genommen und völlig erreicht worden. Welteinheit ist das Ziel, dem eine gequälte Menschheit zustrebt. Der Aufbau von Nationalstaaten ist zu einem Ende gekommen. Die Anarchie, die der nationalstaatlichen Souveränität anhaftet, nähert sich heute einem Höhepunkt. Eine Welt, die zur Reife heranwächst, muß diesen Fetisch aufgeben, die Einheit und Ganzheit der menschlichen Beziehungen erkennen und ein für allemal den Apparat aufrichten, der diesen Leitgrundsatz ihres Daseins am besten zu verkörpern vermag.“

Alle gegenwärtigen Kräfte des Wandels bestätigen diese Ansicht. Die Beweise lassen sich an den vielen bereits genannten Beispielen günstiger Zeichen für den Weltfrieden aus den heutigen internationalen Bewegungen und Entwicklungen ablesen. Das Heer der Männer und Frauen aus praktisch allen Kulturen, Rassen und Nationen auf Erden, das in den vielfältigen Behörden der Vereinten Nationen Dienst tut, verkörpert einen weltumspannenden „Öffentlichen Dienst“, dessen eindrucksvolle Leistungen für ein hohes Maß an Zusammenarbeit, selbst unter entmutigenden Bedingungen, kennzeichnend sind. Ein Drang zur Einheit kommt, einem geistigen Frühling gleich, in zahllosen internationalen Kongressen zum Ausdruck, die Menschen aus einem breiten Spektrum von Wissensgebieten zusammenführen. Er ist Triebkraft für kinder- und jugendbezogene internationale Vorhaben. Er ist in der Tat die eigentliche Quelle der bemerkenswerten Bewegung der Ökumene, die Anhänger historisch verfeindeter Religionen und Sekten unwiderstehlich zueinander hinzuziehen scheint. Der Drang zur Welteinheit ist im unablässigen Ringen mit der entgegengesetzten Tendenz zu Kriegsführung und Selbstverherrlichung einer der beherrschenden, allgegenwärtigen Wesenszüge des Lebens auf dem Planeten im ausgehenden 20. Jahrhundert.

In den Erfahrungen der Bahá’í-Gemeinschaft kann man ein Beispiel für diese wachsende Einheit sehen. Sie ist eine Gemeinschaft von etwa drei bis vier Millionen Menschen aus vielen Völkern, Kulturkreisen, Klassen und Glaubensrichtungen, die sich in vielen Ländern auf einem weiten Tätigkeitsfeld dem Dienst an den geistigen, sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnissen der Völker widmen, ein einziger gesellschaftlicher Organismus, repräsentativ für die Mannigfaltigkeit der Menschheitsfamilie. Sie regelt ihre Angelegenheiten durch ein System allgemein anerkannter Beratungsprinzipien und achtet alle großen Offenbarungen der Führung Gottes in der Menschheitsgeschichte gleichermaßen hoch. Ihre Existenz ist ein weiterer überzeugender Beweis für die praktische Anwendbarkeit der Vision ihres Stifters von einer geeinten Welt, ein weiteres Zeugnis dafür, daß die Menschheit als globale Gesellschaft leben kann und jeder Herausforderung, die ihr Eintritt in das Mündigkeitsalter mit sich bringt, gewachsen ist. Wenn die Erfahrungen der Bahá’í, in welchem Ausmaß auch immer, etwas dazu beitragen können, die Hoffnung auf Einheit des Menschengeschlechts zu stärken, schätzen wir uns glücklich, sie als Studienmodell anzubieten.

Die überragende Tragweite der Aufgabe vor Augen, die jetzt die ganze Welt herausfordert, beugen wir das Haupt in Demut vor der ehrfurchtgebietenden Majestät Gottes, des Schöpfers, der aus Seiner unendlichen Liebe die ganze Menschheit aus demselben Stamm erschaffen, die juwelengleiche Wirklichkeit des Menschen geadelt, sie mit Verstand und Weisheit, edler Gesinnung und Unsterblichkeit ausgezeichnet und dem Menschen die „einzigartige Auszeichnung, Würde und Fähigkeit“ verliehen hat, „Ihn zu erkennen und zu lieben“ – eine Fähigkeit, die „notwendigerweise als der der gesamten Schöpfung zugrundeliegende schöpferische Antrieb und Hauptzweck anzusehen ist“.

Es ist unsere tiefe Überzeugung, daß alle Menschen dazu erschaffen sind, „eine ständig fortschreitende Kultur voranzutragen“, daß „wie die Tiere auf dem Felde zu leben, des Menschen unwürdig“ ist, daß die der Menschenwürde entsprechenden Tugenden Vertrauenswürdigkeit, Nachsicht, Barmherzigkeit, Mitleid und Güte gegenüber allen Menschen sind. Wir bekräftigen erneut unseren Glauben, daß „die Möglichkeiten, die der Stufe des Menschen innewohnen, das volle Maß seiner Bestimmung auf Erden, der angeborene Vorzug seiner Wirklichkeit, an diesem verheißenen Tag Gottes offenbar werden müssen“. Dies sind die Beweggründe für unseren unerschütterlichen Glauben, daß Einheit und Frieden das erreichbare Ziel sind, dem die Menschheit zustrebt.

Während dies niedergeschrieben wird, sind die erwartungsvollen Stimmen von Bahá’í zu vernehmen, ungeachtet der Verfolgung, die sie im Geburtsland ihres Glaubens noch immer erdulden. Durch ihr Beispiel standhafter Hoffnung legen sie Zeugnis ab für den Glauben, daß die Stunde der Verwirklichung dieses jahrtausendealten Friedenstraumes heute durch die verwandelnde, mit göttlicher Vollmacht versehene Wirkkraft der Offenbarung Bahá’u’lláhs gekommen ist. So vermitteln wir Ihnen nicht nur eine Vision mit Worten: Wir bieten die Macht der Taten des Glaubens und des Opfers auf, wir übermitteln das erwartungsvolle Plädoyer unserer Glaubensbrüder und -schwestern allenthalben für Frieden und Freiheit. Wir fühlen uns verbunden mit allen Opfern der Aggression, mit allen, die sich nach einem Ende von Kampf und Streit sehnen, mit allen, deren Hingabe an die Grundsätze des Friedens und der Weltordnung die edlen Ziele fördern, zu denen die Menschheit durch einen alliebenden Schöpfer ins Dasein gerufen wurde.

In dem aufrichtigen Wunsch, Ihnen unsere inbrünstige Hoffnung und unser tiefes Vertrauen kundzutun, zitieren wir die nachdrückliche Verheißung Bahá’u’lláhs: „Diese fruchtlosen Kämpfe, diese zerstörenden Kriege werden aufhören und der ‚Größte Friede‘ wird kommen.“

Das Universale Haus der Gerechtigkeit

Hunger – Ein globales Problem

Hunger – Ein globales Problem

Erklärung der Internationalen Bahá’í-Gemeinde zur elften Ministerrunde des Welternährungsrates

Paris, Frankreich—10 June 1985

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde ist am Kampf gegen den Hunger und an der Beschaffung von genügend Nahrungsmitteln für alle Menschen stark interessiert und engagiert sich dafür. Wir haben daher an immer mehr Sitzungen teilgenommen und verfolgen mit dankbarer Anerkennung die Bemühungen des Welternährungsrates (WFC), die nötigen Verfahrensweisen und Maßnahmen zu entwickeln, in Gang zu halten und aufeinander abzustimmen, um das auf Tatsachen aufbauende international richtige Ausmaß für die Erzeugung und Verteilung von Nahrungsmitteln zu erreichen. Wir begrüßen wärmstens, daß der WFC der internationalen Gemeinschaft im letzten Jahr das Ziel setzte, ihre Verpflichtung zur weltweiten Ausrottung des Hungers und der Unterernährung im Laufe der nächsten anderthalb Jahrzehnte zu verlängern.

Damit würde ein lang gehegter Traum der Menschheit Wirklichkeit. Im Geiste der Zusammenarbeit möchten wir einige Bemerkungen vortragen, welche die aus unserer Sicht wichtigsten Faktoren zum Erzielen eines hungerfreien Planeten herausstellen. Obwohl die durch Hunger verursachte Sterberate in den letzten Jahrzehnten erfreulich abnahm, war weltweit die Anzahl unterernährter Menschen noch nie so hoch wie jetzt. Untersuchungen haben gezeigt, daß der Hunger für über die Hälfte aller Länder und etwa die halbe Weltbevölkerung ein Hauptproblem bleibt.[i] Fünfzehn Millionen hungerbedingte Sterbefälle bei Kindern unter fünf Jahren zeigen deutlich das erschreckende Ausmaß dieses Problems. Da die Summe der Nahrungsmittel auf der Erde ausreicht, um den Bedarf jedes Menschen zu decken, verdeutlicht die Hungermisere, wie nötig eine Neuorientierung der Wirtschaftszweige Nahrungsmittelproduktion und -verteilung im Interesse des Wohles der Menschheit ist. Der weltweite Sieg über den Hunger und der Aufbau globaler Nahrungsmittelgarantien verlangt demgemäß, daß wir auf humanitäre und wirtschaftliche Solidarität hinarbeiten. Ohne solches Trachten erschweren wir den heutigen Kampf gegen den Hunger ganz erheblich.

In den letzten Jahren wurde der »Geist der Weltsolidarität« deutlich stärker, ein Geist, der in den Bahá’í-Schriften als »…spontan aus dem Wirrwarr einer ungeordneten Gesellschaft aufsteigend…« und als ein Prozeß gesehen wird, »…der in steigendem Maße die Aufmerksamkeit der für das Schicksal von Völkern und Nationen Verantwortlichen auf sich ziehen muß«[ii] Diese internationale Solidarität kommt wohl am deutlichsten in den verschiedenen Menschenrechtsdokumenten wie der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zum Ausdruck, die von den Regierungen der Welt im Rahmen der Vereinten Nationen angenommen wurden. Artikel 11 des Pakts enthält die Anerkennung »des Grundrechtes jedes Menschen, vor Hunger geschützt zu sein« und verlangt unter anderem, daß die Vertragsstaaten »das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie, einschließlich ausreichender Ernährung… anerkennen« und daß sie »geeignete Schritte unternehmen, um die Verwirklichung dieses Rechtes zu gewährleisten«. Dieser Vertragstext läßt den Schluß zu, daß das Recht auf ausreichende Ernährung fest als Menschenrecht im internationalen Rechtssystem verankert wurde, ein Ergebnis, das deutlich die bedeutende Bewußtseinsentfaltung des Menschen in relativ kurzer Zeit aufzeigt.

Die sich entwickelnde Erkenntnis, daß die Menschheit eine Einheit ist, und die damit verbundene Verpflichtung zu solidarischem Handeln müssen intensiviert werden, bis sie zum gemeinsamen, dauernd gültigen Wert für die ganze Menschheit werden. Diese Entwicklung ist für die Handhabung globaler Verantwortung und die erfolgreiche Führung der Weltgeschäfte einschließlich einer gemeinsamen Inangriffnahme des Ernährungsproblems unbedingt nötig. Letzteres verlangt außerdem eine umfassende Vorausschau der Entwicklung, die sich nicht nur um Wirtschaftswachstumsfaktoren kümmert, sondern auch um Grundwerte wie Gerechtigkeit, Unparteilichkeit, Gleichberechtigung von Mann und Frau, Zusammenarbeit und Achtung vor der Natur. Daher brauchen wir dringend eine Entwicklungserziehung im wahrsten Sinne des Wortes, die sich auf den Menschen und den sozialen und wirtschaftlichen Bereich konzentriert.

Diese müßte bildungsorientiert sein, um dem Menschen zu helfen, die oft zerstückelten Teile moderner Einsicht und Kenntnis zusammenzufügen und darüber zu stehen; sie sollte ihn dabei unterstützen, selbst echtes soziales Wohl zu schaffen, das die Bedürfnisse von Körper und Geist befriedigt. Die Bahá’í verstehen unter Entwicklung, daß in jedem Menschen und damit in der ganzen menschlichen Gesellschaft ein unbegrenzt entwickelbarer Kräftevorrat und ein inneres, geistiges Verlangen stecken, diese schlummernden Fähigkeiten zum Dienst an der Menschheit auszuschöpfen. Der Bahá’í-Ansicht nach kann »ein Mensch sich keinen größeren Segen vorstellen, als daß er zur Ursache von Erziehung, Entwicklung, Glück und Ehre seiner Mitgeschöpfe wird«[iii]. Dieses Verständnis kann die Menschen anspornen, »sich aufzumachen und sich tatkräftig dem Dienst an der Allgemeinheit zu widmen und dabei den eigenen materiellen Vorteil zu vergessen und nur für das Gemeinwohl tätig zu sein.«*

Erzeugung und Verteilung, die beiden Hauptfaktoren des Ernährungsproblems, sollten im Lichte der oben genannten, global orientierten Prinzipien und eines ganzheitlichen Einstiegs in die Entwicklung gesehen werden. Der in gewissen Teilen der Welt, ganz besonders bei den Dorfbauern der Entwicklungsländer, unbefriedigenden Stellung der Nahrungsmittelproduzenten sollte hauptsächlich durch ein größeres soziales Prestige für den Landwirtschaftssektor und durch stärkere Beachtung der Nöte und Wünsche der Bauern entgegengewirkt werden. Es gilt, einzusehen, daß die Landwirtschaft gewissermaßen Rückgrat und Basis der Wirtschaft ist. Diese Tatsache muß bei der allgemeinen Grundsatzpolitik sowie ihrer Umsetzung voll berücksichtigt werden. Die Bahá’í sind der Meinung, daß, wenn für alle Glieder der Gesellschaft Gerechtigkeit und »höchstmögliche Fürsorge und Wohlfahrt« erreicht werden sollen, »wir mit den Bauern beginnen müssen. Hier wollen wir eine Basis für ein geordnetes Ganzes legen, weil die Dienstleistungen des Bauern- und Landwirtschaftsstandes die anderer Klassen an Bedeutung überragen.«[iv]

Bei einer solchen Grundsatzpolitik, die soziale, wirtschaftliche und infrastrukturelle Unterstützung für die Landwirtschaft vorsieht, läge Nachdruck darauf, die Selbstverwirklichung, das allgemeine Mitmachen und die lokale Zusammenarbeit anzuregen und zu erleichtern. Um die gewünschte Wirkung zu erzielen, sollte dieses Verfahren die örtliche Bevölkerung dazu führen, Initiativen zu ergreifen und sich systematisch darum zu bemühen, ihr Planungsund Durchführungsvermögen so zu steigern, daß das Selbstvertrauen, die Unabhängigkeit von fremder Hilfe und das Wohlergehen aller wachsen. Die so oft vernachlässigte Rolle der Landfrauen ist in diesem Zusammenhang ganz besonders wichtig. Die Frauen haben gewöhnlich beim Erzeugen und Verteilen von Nahrungsmitteln eine Schlüsselstellung inne und müssen die entsprechende Unterstützung und Ausbildung erhalten, so daß sie für Nahrungsmittel in hinreichender Menge und Qualität sowie deren gerechte Verteilung in der Familie sorgen können.

Die Frage der Nahrungsmittelverteilung sollte unserer Ansicht nach im Zusammenhang mit dem nötigen Abbau der Extreme von Reichtum und Armut auf nationaler wie internationaler Ebene gesehen werden. Das Ziel wäre, zuerst für alle den berechtigten Anteil an Nahrungsmitteln und anderem Grundbedarf und schließlich ein weltweites Wohlergehen sicherzustellen. Dazu sind die Verwaltung der substantiellen Reichtümer der Welt zum Nutzen aller, der freie Handel als Antrieb zur wirtschaftlichen Entwicklung und ein Vorratssystem zum Schutz vor Engpässen bei unentbehrlichen Gütern nötig. Im kritischen Bereich der Nahrungsmittellagerung und -verteilung muß der Schwerpunkt auf Vorkehrungen der Gemeinde liegen, durch Kornspeicher zu garantieren, daß sie am Ort von fremder Hilfe unabhängig ist. Die beabsichtigte Neugestaltung der Verteilung würde zu einem Umschwung führen und die finanziellen Mittel dem Bedarf angleichen, im Gegensatz zur jetzigen Lage, in der einem beträchtlichen Teil der Weltbevölkerung die Kaufkraft zum Erwerb der nötigen Nahrungsmittel fehlt.

Weitgehend wird anerkannt, daß die Menschheit gegenwärtig einen globalen Wandlungsprozeß durchmacht, beispiellos in seinem weltweiten Ausmaß und seinem explosiven Tempo. Nie zuvor brauchte die Menschheit so sehr die Erneuerung des Denkens, eine neue Philosophie des Handelns, um mit den allgegenwärtigen sozialen Spannungen, die uns als menschliche Wesen schließlich zerstören können, fertig zu werden.

Die Ausrottung des Hungers wird zunehmend als ethisches Gebot und äußerst wichtiger Faktor zum Aufbausozialer Stabilität in einer Welt voll gegenseitiger Abhängigkeit anerkannt. Nur eine globale Entwicklungsstrategie, die fähig ist, unsere geistigen und intellektuellen Kräfte sowie alle Produktionsfaktoren im Interesse der gesamten Menschheit heranzuziehen, kann Unterentwicklung und Hunger aus der Welt schaffen.

Dem Welternährungsrat wurde ein Auftrag erteilt, und er ist wohl in der Lage, beim Planen und Fördern einer wirksamen globalen Ernährungsstrategie eine immer wichtigere Rolle zu spielen. Nützlich wäre, wenn diese Strategie vermehrt Material und Unterricht zur Ernährungsfrage bereitstellte. Gleichzeitig sollte die Hungersnot als unannehmbare biologische Sklaverei mehr und mehr bekanntgemacht und eine Grundsatzpolitik mit Verteilabkommen ausgearbeitet werden, mit deren Hilfe das Problem lösbar wird. Von den Vereinten Nationen könnte in Zusammenarbeit mit Regierungen von Mitgliedstaaten und Nichtregierungsorganisationen eine weltweite Informations- und Unterrichtskampagne durchgeführt werden. Damit ließe sich ein breiteres Verständnis für diese schwierige Aufgabe fördern und genügend Engagement erreichen, um eine Basis zu schaffen, auf der das vom Welternährungsrat angestrebte Ziel, Hunger und Unterernährung bis zum Ende des Jahrhunderts auszurotten, verwirklicht werden kann. Die Internationale Bahá’í-Gemeinde hat seit einem Jahrhundert Erfahrung im Aufbau globaler Solidarität und im Ermutigen zur weltweiten Annahme der Menschenrechte als für jeden Menschen gültig, und sie ist bereit, ihren Beitrag zu dieser Entwicklung zu leisten.


[i] The Decline in Hunger-Related Deaths, The Hunger Project Papers, No. 2, May 1984, by Roy L. Prosterman
[ii] Shoghi Effendi, »Weltordnung«, S. 71
[iii] Aus den Bahá’í-Schriften
[iv] Aus den Bahá’í-Schriften.

 

Gleichwertigkeit von Mann und Frau

Gleichwertigkeit von Mann und Frau

Erklärung der Internationalen Bahá’í-Gemeinde bei der 1985-Sitzungsperiode des Verwaltungsrates des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen

16 April 1985

Die Rückschaustudie auf die Grundsatzpolitik zur UNICEF-Reaktion auf Frauenfragen (E/ICEF/1985/L.1), die vom UNICEF-Verwaltungsrat während seiner Sitzungsperiode von 1985 eingehend beraten wurde, legt großen Nachdruck auf ein von der Internationalen Bahá’í-Gemeinde als sehr wichtig erachtetes Thema, und zwar die Erziehung und allgemeine Förderung der Frauen. Die Bahá’í glauben an das Prinzip der Gleichberechtigung von Mann und Frau und praktizieren es seit über hundert Jahren, was weltweit in den Bahá’í-Gemeinden deutlich erkennbar ist. Diese Überzeugung legt besonderes Gewicht auf die so lange vernachlässigte Bildung für Frauen.

Obwohl die Bahá’í die allgemeine Schulpflicht und den gleichen Bildungslehrplan für beide Geschlechter befürworten, setzen sie sich dafür ein, daß die Mädchenbildung Vorrang bekommt, eine Schwerpunktverlagerung, die bereits weitreichende Ergebnisse aufweist. Der Umfang der sowohl von einzelnen Bahá’í wie von örtlichen und nationalen Bahá’í-Gemeinden angegangenen Frauenprobleme ist beträchtlich. Landschulen, Alphabetisierungsprogramme, Konferenzen und Seminare waren z.B. durchweg auf die unmittelbare Notlage der Frauen sowie auf weitreichende Umgestaltungsmethoden konzentriert, um die Frauen in das Fahrwasser gesellschaftsbezogener Arbeit hineinzubringen.

Zwar unterstützt die Internationale Bahá’í-Gemeinde Sozialprogramme zur Förderung der Frauen, aber unsere Erfahrung hat gezeigt, daß für den Fortschritt der Frauen die Erziehung beider Geschlechter wichtig ist. Programme, die versäumen, die Männer in der Gleichberechtigung der Geschlechter zu erziehen, so daß sie dieses gerechte Prinzip annehmen, müssen scheitern, weil die Familie die Grundeinheit der Gesellschaft ist und ein gesundes Familienverhältnis den verantwortungsbewußten Beitrag von Männern und Frauen gleichermaßen verlangt. In allen Fällen, in denen Familienstruktur und -einfluß schwach sind, vervielfachen sich die Probleme der Familienmitglieder, insbesondere der Kinder. Bei den Bemühungen um die Stärkung der Familie nehmen die Bahá’í neue Verpflichtungen auf sich, und zwar die Treue beider Partner in der Ehe und ein höheres Maß an Verantwortung sowohl beider Partner als auch der gesamten Gemeinschaft für die Erziehung und das Wohlergehen der Kinder. Diese sich in den Bahá’í-Gemeinden ändernden Strukturen können auch bei Menschen und Völkern festgestellt werden, bei denen traditionelle Einstellung und Volksverhalten solchen Werten besonders feindlich gegenüberstehen. Bahá’í-Männer unterstützen die Bildung und Förderung der Frauen und übernehmen immer mehr Verantwortung in ihrem Verhältnis zur Familie. Frauen übernehmen ihrerseits zunehmend Tätigkeiten außerhalb des Hauses und beginnen, sich durch intellektuelle und wissenschaftliche Leistungen auszuzeichnen. Sie nehmen sowohl in Familienangelegenheiten als auch bei örtlichen, nationalen und internationalen Gemeindeaktivitäten an Beratung und Entscheidung teil.

Die in der Rückschaustudie auf die Grundsatzpolitik erwähnte wichtige Aufgabe, bei der die Einstellung zum Mitmachen zu entwickeln ist, geht zurück »auf die Grunddienstestrategie, die besonderen Wert darauf legt, daß die Gemeinden sich am Definieren und Lösen ihrer lokalen Probleme beteiligen.« Die Internationale Bahá’í-Gemeinde stimmt diesem »kieloben«-Versuch, der den Akzent auf Selbst- und Kollektivvertrauen legt, voll und ganz zu. Die erfolgreichste Entwicklung erwächst unserer Meinung nach daraus, daß die materiellen, intellektuellen und geistigen Möglichkeiten des Menschen erkannt und die einzigartigen Begabungen und Fertigkeiten jedes einzelnen genutzt werden.

Das administrative System, das die Bahá’í für recht erfolgreich halten und das jetzt in über 140 Ländern und in vielerlei Kulturbereichen bei über 2 000 ethnischen Gruppen funktioniert, schafft die Bedingungen für das stetig zunehmende Verstehen und Anwenden dieser Entwicklungsgrundsätze. Es ermutigt von den kleinsten Gemeinden an aufwärts zur universellen Teilnahme an Beratung und Entscheidung. Ein wichtiger Faktor dieses Systems ist das Wahlverfahren mit geheimen Stimmzetteln ohne die übliche Kandidatenaufstellung und Wahlpropaganda. Die Mitglieder der örtlichen Gemeinden wählen in freier Wahl die Männer und Frauen, die nach ihrer Meinung am ehesten fähig nach ihrer Meinung am ehesten fähig sind, zu einer ganzen Reihe menschlicher Belange Entscheidungen zu treffen. Der gewählte administrative Rat berät regelmäßig mit allen Mitgliedern der ganzen Gemeinde und profitiert dabei von der Mannigfaltigkeit unterschiedlicher Meinungen, die zwangsläufig in jedem Falle vorhanden sind. Sobald die Beschlüsse des Rates einstimmig oder mit Stimmenmehrheit gefaßt sind, ist jedes Gemeindemitglied verpflichtet, sie zu billigen. Auf diese Weise wird die vereinte Unterstützung durch die Gemeinde als ganzes sichergestellt. Dieser ineinandermündende Beschlußfassungsprozeß beseitigt das Übel politischer Vetternwirtschaft, die Aktionspläne zu untergraben sucht, und verhindert den Einfluß politischer Interessengruppen, die bestimmte Ziele verfolgen. Die Internationale Bahá’í-Gemeinde ist überzeugt, daß ein solches System sehr geeignet ist, die Erziehung und Entfaltung aller Teilnehmer zu fördern, da es Einfluß nimmt auf das Verhalten des Einzelnen, dessen Beitrag wiederum das Blickfeld der Gruppe erweitert. Dieser »kieloben«-Versuch sorgt vor allem für Entwicklungswachstum, wobei auf jeder Entwicklungsstufe die Eintracht bewahrt bleibt.

Es ist unserer Meinung nach auch dringend erforderlich, daß die Erziehung zur Entwicklung die Ermutigung zu kooperativen Schritten enthält und nicht zu einem Wettbewerbsverhalten, das den einzelnen oft dazu verleitet, über andere herrschen zu wollen oder sie für seinen eigenen Vorteil auszunützen. Wir Bahá’í glauben, daß Verhaltensweisen, die den hemmungslosen Materialismus fördern, zu einem Wettkampf um materiellen Gewinn geführt haben, der die wirtschaftlichen und sozialen Probleme verbitterter werden ließ. Kooperatives Verhalten und Achtung vor den anderen Familienmitgliedern werden als Ermutigung zur Verwirklichung der Rechte jedes einzelnen betrachtet. Die Achtung vor Kindern und Frauen wird in den Familien steigen, in denen die Sorge um das materielle Wohlergehen an sittliche und geistige Werte gebunden ist. Wir möchten die Vermutung riskieren, daß, wenn erste kooperative Schritte, aus denen die Wertschätzung für die potentielle Verwirklichung der in jedem Menschen ruhenden besten Fähigkeiten resultiert, von der Familie auf den Staat und die Welt erweitert werden, diese sich auf den Abbau und das schließliche Ausmerzen der auf Rasse, Klasse, Nationalität und Geschlecht bezogenen Vorurteile, die Wachstum und Entwicklung ernstlich behindern, vielversprechend auswirken werden.

Die sozialen und wirtschaftlichen Probleme der Menschheit können nur überüberwunden werden, wenn die Menschen lernen, die Rechte anderer zu achten, die Verantwortung für gute Charakterbildung zu übernehmen und sich im Geiste des Dienens den Interessen der gesamten Menschheit zu widmen. Das Verständnis für die Entwicklung wird unserer Meinung nach wachsen, wenn wir alle die gegenseitige Abhängigkeit und organische Einheit der Menschheit immer mehr erkennen.

Die Internationale Bahá’í-Gemeinde schätzt ihre wachsende Zusammenarbeit mit UNICEF in deren Geschäftsstellen wie im Außendienst sehr und hofft auf weitere Gelegenheiten zur Mithilfe beim Aufbau einer besseren Welt für alle Völker.

 


BIC-Dokument 85-0416g: Women's Concerns

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